88 Das öfientliche Sachenrecht.
es nicht, aber sie entging ihm. Sie bietet jetzt noch allen, welche
mit dem öffentlichen Eigentum sich nicht befreunden können, eine
Zufucht. Und zwar die einzige Zuflucht. Es fragt sich nur: um
welchen Preis und auf wie lange noch ®®?
3. Daneben ist bei den Juristen, welche die Frage vom
bürgerlichrechtlichen Standpunkte aus betrachten, noch eine andere
Auffassung im Schwange: sie knüpft an die alte Verkehrs-
entzogenheit, geschmackloserweise auch als „Extrakommer-
zialität“ bezeichnet. Dabei läßt man diesen Begriff leichten Herzens
eine neue Wandlung durchmachen. Ursprünglich, im römischen
Recht, sind, wie wir sahen, die res publicae oder populi Romani
wegen ihres erhabenen Herrn von selbst dem gleichmachenden
jus civile entzogen, extra commercium. Das ist jetzt auch wieder
so bei unserem neuzeitlichen Öffentlichen Eigentum. Als aber diese
Sachen res nullius geworden und namentlich als sie dem Fiskus
zugesprochen waren, da wurde diese Verkehrsentzogenheit aufgefaßt
als eine rechtliche Eigenschaft, welche der Sache ohne innere Not
9 So noch Seydel, Bayr. St.R. III S. 251: Bei den Öffentlichen Gewässern
„entstehen zweierlei Beziehungen des Staates zu denselben: privatrechtliche des
Fiskus, hobeitliche der Staatsgewalt“. Ähnlich Loebell in Gruchot, Beitr.
XLI SS. 11; Paris, Entschädigungsberechtigung S. 22; 0.V.G. 1908 (Entsch. LII
S. 345), — Das Erscheinen des B.G.B. gab Anlaß, die öffentlichrechtliche „Be-
ziehung des Staates“ zu den öffentlichen Sachen stärker zu betonen, weil es sich
jetzt darum handelt, für allerlei Besonderheiten Raum zu gewinnen gegenüber dem
auf bürgerlichrechtlichem Gebiete alleinherrschenden neuen Gesetzbuche. Da lag
denn wieder die Gefahr nahe, daß diese öffentlichrechtliche Beziehung des Staates
mit seiner privatrechtlichen zu dem nämlichen Gegenstand fortan zusammenfließe
zu dem einen öffentlichen Eigentum — was sich ja eigentlich von selbst versteht.
Wer das aber nun einmal nicht will, versucht es jetzt mit einer Neubelebung der
Fiskuslehre: die hält in der Tat die beiden „Beziehungen“ wohl auseinander. So
in der entschlossensten Weise Hatschek, Die rechtliche Stellung des Fiskus im
Bürgerlichen Gesetzbuch. Hier wird für den „Dualismus der beiden Rechts-
persönlichkeiten von Staat und Fiskus“ geradezu die Ehre einer bleibenden
„deutschen Rechtsanschauung“ in Anspruch genommen (S.8ff.), v. Eschstrutt,
Der öffentliche Weg, gibt dem Staat an der öffentlichen Sache die „Polizei-
herrschaft“ und zugleich das Eigentum; das letztere hat aber eigentlich doch nicht
der Staat, sondern der Fiskus, von dem jener „streng zu scheiden ist“. Der
Staat ist „gewissermaßen eine Zwei-Einigkeit“ (8.28). H. Schelcher, Der öffent-
liche Weg und seine Bedeutung für das öffentliche und das Privatrecht (Fischere
Ztschrft, f. Verw. Bd. XXXI), gibt dem Staat an der öffentlichen Sache eine „um-
fassende Sachbeherrschung und Sachverwaltung öffentlichrechtlicher Natur“; was
er über diesen Besitz hinaus noch an der Sache hat, also vor allem sein etwaiges
Eigentum, ist privatrechtlich. Wie ist das denkbar? Der Staat ist wohl stets
nur einer, aber er hat „zweierlei Rechtspersönlichkeiten“ (8. 36 f.). Das ist aber
m. E. doch wieder nur der alte Fiskus.