VII. Spottsagen.
1160. Wie Meerane ehemals in üblem Rufe gestanden hat.
Gräße, Rd. II, Nr. 623; Leopold, Chronik von Meerane, S. 63; Köhler,
Sagenbuch, Ar. 769.
Die Stadt Meerane hat ehemals in ziemlich schlechtem Rufe
gestanden.
Eine gedruchte Nachricht von 1788 erzählt: Da das Städt-
lein Aleerane dreierlei Gerichte hatte, so Kam es, daß zu Anfang
des 18. Jahrhunderts dieser Ort in einem fast bösen Geschrei war,
weil sich fremd liederlich Gesindel da aufgehalten, so bei Bisitationen
leicht aus einem Gerichte oder Amtssprengel ins andere entwischen
können; daher entstund in dieser Gegend ein Sprichwort, daß,
wenn man einen schimpfen wollte, man ihn einen Meeraner ge-
nannt. Nachher ist dieses Geschrei durch gute Ordnung der Obrig-
keit und redliche Einwohner völlig unterdrücht worden. Es ge-
schah aber, daß der dortige Pastor M. Sigismund Stolze einstmals
auf die Leipziger Messe reiste. Als er mit dem Wagen unters
Tor zu Leipzig Kam, wurde er gefragt, woher er käme und wer
er wäre? Als er es beantwortet: „Der Pastor von Meerane!“ mußte
er wieder umkehren, weil man von Mieerane niemanden einlassen
durfte. Der gute Alann zhehrte mit der Kutsche wieder um und
fuhr unter einem andern Namen zu einem andern Tore hinein.
Bei seiner Heimkunft brachte er dies mit Tränen auf der Kanzel
vor, ließ auch nicht eher nach, bis seine berüchtigte Gemeinde ein
besseres Leben zu führen anfing.