Full text: Sagenbuch des Königreichs Sachsen

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unten und warteten, und der Bürgermeister hatte eine große Bitt— 
schrift in der Tasche, die er dem Kurfürsten überreichen wollte. 
Und sie mußten sehr lange warten und setzten sich hin am Wege 
und zogen große Butterschnitten aus der Tasche und aßen; aber 
der Bürgermeister aß nicht. Auf einmal kam ein Wagen gefahren, 
und er war schon vorbei; da merktkten sie erst, daß es der Kurfürst 
war. And sie liefen alle hinterdrein, und der Bürgermeister war 
voran. Und er zerrte an seiner Tasche und riß, um die Bittschrift 
herauszuziehen; aber er erwischte nur die Butterschnitte, die war 
in Papier eingewickelt, und warf sie in den Wagen. Und der 
Wagen fuhr weiter. Aber nach vier Wochen kriegten sie einen 
großen Brief aus Warschau und mußten schweres Postgeld dafür 
bezahlen. Und in dem Briefe war die Butterschnitte; die Kriegten 
sie wieder und eine diche Nase. Und davon schreibt sich's, daß 
man sagt: „Er hat eine Butterschnitte bekommen.“ 
1170. Der große Wind in Weißenberg. 
Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Bd. II, S. 162 ff. 
Da hat sich einmal in Weißenberg ein großer Wind erhoben, 
der ist so heftig gewesen und hat so sehr geblasen, daß die Weißen- 
berger denken, das ganze Aest wird vom Berge runtergeblasen 
werden in die Lubata. Und da laufen sie alle zum Bürgermeister, 
und der soll Rat schaffen. Was sagte aber der Bürgermeister? 
Der Bürgermeister sagte, sie sollten sich alle vor die Stadt stellen, 
auf die Seite, wo der Wind herkommt, und blasen. Und bliese 
der Wind von dorther, so müßten sie von hier dagegen blasen und 
tapfer blasen, so würde der Wind ihnen nichts tun hönnen; also 
ziehen sie alle raus, Männer, Weiber und Kinder, und blasen gegen 
den Wind aus Leibeskräften, und wenn der Wind daher bläst, 
blasen sie von dorther, und je mehr er bläst, desto mehr blasen sie 
wieder. Der Herr Pastor aber war alt und krank, der wollte 
nicht mitblasen. Also endlich hörte der Wind auf, und die Not 
war alle. Es war aber doch sehr hart hergegangen, und sie sahen 
alle kirschbraun im Gesichte aus. Und der Wind hatte niemandem 
Schaden getan, als nur dem Herrn Pastor, dem waren ein paar
	        
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