Full text: Sagenbuch des Königreichs Sachsen

— 1008 — 
dem damaligen Besitzer des Rittergutes Schmochtitz bei Bautzen und 
kursächsischen Hausmarschall, Peter August von Schönberg, geboren 
und verlebte einen Teil ihrer Jugend auf jenem herrlichen Landsitze. 
Am 13. Mai 1786 verheiratete sie sich mit dem Grafen Rochus August 
von Lynar, vertrug sich aber nicht mit ihm, und als derselbe am 
1. August 1800 plötzlich nach dem Genuß eines von ihr ihm ge— 
reichten Kirschkuchens zu Lichtenwalde gestorben war, so hatte das 
Volk sie damals schon als Giftmischerin in Verdacht. Auch ihren 
zweiten Mann sollte sie haben vergiften wollen, allein man erzählte 
sich damals, er sei geflohen und nie wieder mit ihr zusammen— 
gekommen, sondern habe aus der Ferne seine Scheidung eingeleitet 
und durchgesetzt. Daß keine dieser Beschuldigungen irgendwie be— 
wiesen ward, versteht sich von selbst. Von dieser Frau, welche 
übrigens zu den klügsten und gebildetsten Frauen, die je existiert 
haben, gehörte, laufen nun noch heute im Munde der Dresdner 
und Plauenschen Bevölkerung sonderbare Sagen herum. 
Sie lebte nach ihrer Scheidung ganz von ihrer Familie ge- 
trennt und stand mit Napoleon lI., so oft derselbe nach Dresden 
kam, in einem sehr intimen Verhältnis; ja, als derselbe zum letzten 
Male in Dresden war, wohnte sie längere Zeit bei ihm im Palais 
Marcolini auf der Friedrichstraße in Friedrichstadt. Die Frucht 
dieses Zusammenlebens sollte nun ein Knabe gewesen sein, der an- 
geblich im geheimen von ihr im Jahre 1814 geboren ward, als er- 
wachsener Mensch mehr als einmal sich zu ihr in Plauen Eingang 
verschaffte und von ihr, gestützt auf angebliche Briefe und Zeugnisse, 
Unterstützung und Anerkennung verlangte — er führte nämlich den 
Aamen Julius Wilhelm Wolf Graf —, aber stets aufs härteste 
von ihr zurüchgewiesen ward und, als er auch in ihrem Testamente 
nicht bedacht war, wie er erwartet hatte, sich am 14. April 1866 
das Leben nahm. Wie dem auch sein mag, sie war bis an ihren 
Tod eine glühende Verehrerin des RKaisers Na#poleon, zu dessen Be- 
freiung aus der Gefangenschaft auf St. Helena sie Rurze Zeit vor 
dessen Tode nach Paris gereist sein und dort eine Verschwörung 
angestellt haben soll, die aber von der französischen Polizei entdeckt 
ward und ihr längere Gefangenschaft und schließlich Verweisung 
aus Frankreich zuzog. Sie rächte sich an Na#poleons Kerkermeister 
Hudson Lowe dadurch, daß sie dessen Porträt auf dem Aborte ihres 
Schlößchens aufhing.
	        
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