Full text: Sagenbuch des Königreichs Sachsen

Romantische (literarische) Sagen. 
1238. Sage vom Galgenberg bei Brambach. V. 
Gräße, Bd. I, Ar. 704, nach Julius Schanzi; metrisch behandelt von 
Fr. Rödiger. 
In Brambach ertönte eines Morgens früh das Armesünder- 
glöchlein: ein junges Mädchen mit schwarzen Schleifen in den Haaren 
und schwarzen Schleifen an dem Kleide saß auf dem Karren und 
sollte zum Richtplatz gebracht werden. Viel Volks begleitete den 
Zug; doch fehlte, als man am Galgenberge ankam, noch das letzte 
Entscheidungswort, vor dessen Eintreffen die Hinrichtung nicht statt- 
finden durfte. Der Reiter, der danach ausgeritten war, ließ sich 
endlich am Rande des Waldes erblichen. Wenn er mit dem Tuche 
wehte, solle der Urtelsspruch vollzogen werden, so war es verab- 
redet; und siehel er nahm das Tuch heraus und fuhr damit über 
die Stirn, indes er sein Roß jedoch zu immer größerer Eile an- 
spornte. Alan glaubte das Zeichen in dem verabredeten Sinne 
verstehen zu müssen, und der Kopf des Mädchens fiel auf das 
Schafott, als der Reiter in atemloser Hast heransprengte und dem 
Henker entgegenrief: „Warum habt Ihr ein unschuldiges Alädchen 
hingerichtet? Sie war freigesprochen!“ „Ich habe recht gerichtet,"“ 
sprach der Henker, „ist's ein Mord, so ist's die Schuld des Richters."“ 
„Euer ist die Schuld,“ sprach der Richter zu dem Boten, „Ihr winktet 
mit dem Tuche, wie es verabredet war.“ — Da löste sich das 
grauenvolle Mißverständnis: der Reiter hatte das Tuch nur ent- 
faltet, um sich den Schweiß von der erhitzten Stirn zu trocknen, 
denn er hatte sich und sein Roß in Angst und Schweiß geritten, 
um nicht zu spät zu kommen. — — „Ich bitte,“ sprach der Bote 
muterfüllt, „nicht um Gnade; laßt mich die Strafe des Mordes
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.