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Steigers darauf geschnitten, mit den Worten: Dem Gläubigen hilft
Jesus Christus.
So erwarteten sie voll guten Muts das Ende der Woche und
die früher so gefürchtete Mitternachtstunde. Endlich schlug sie, und
kaum war der letzte Schlag verklungen, da pochte es an das Fenster
und brüllte: „Heraus die Braut, heraus die Braut!“ Da öffnete Kät-
chen selbst das Fenster und hielt dem Bösen ihr schimmerndes Kreuz
entgegen, und unter furchtbarem Wehgeschrei wich er zurüch, zuvor
aber rief er: „Kätchen, dich schützt Gottes Macht; ich habe keinen
Teil an dir; aber jetzt ist die Reihe an dir, Günzer, mir in die
Hölle zu folgen; Komm heraus, daß ich dich pachen kann!" Allein
auch hier mußte er weichen, denn Günzer hielt ihm sein goldenes
Jesuskreuz entgegen; allein diesmal verschwand er nicht so ruhig, wie
die früheren Male. Ein furchtbares Gewitter begann sich zu entladen,
ein Orkan warf die stärksten Bäume nieder und erschütterte das
Häuschen in seinen Grundfesten, der zum Strom angeschwollene Wald-
bach drohte dasselbe wegzureißen; allein Kaum schlug es eins, so
war alles wieder still, und der Mond leuchtete silberhell durch die
finstern Wolken.
So ward nun Kätchen ihres höllischen Bräutigams ledig,
und nach zwei Jahren ehelichte sie ein wackerer Bergmann aus
Frohnau, der ihr schon längst sein Herz geschenkt hatte. Der Berg-
meister aber verlieh demselben die Stelle des alten Günzer, der sich
nunmehr zur Ruhe setzte und den Rest seines Lebens bei seinen
Kindern zu verleben dachte. Noch schenkte ihm Gott zehn Jahre,
und er hatte die Freude, innerhalb dieser Zeit drei Enkel auf
seinen Armen zu wiegen. Als ihn aber Gott abrief, da vergaß
sein Kätchen nicht, welches Los er mit ihr geteilt hatte, und wie
die Fürstin der Berge sie herrlich geführt hatte. Darum ließ sie
ihren Vater an jener Stelle am Felsen bestatten, wo der Engel den-
selben gespalten hatte, und nun ging sie jeden Tag hin, um dort
für das Seelenheil des geliebten Verstorbenen zu beten. Dies tat
sie lange Jahre, bis sie selbst eine Greisin war. Einst aber ging
sie auch, um an dem Grabe ihres Vaters zu beten, und Behrte
nicht zurück, und als ihr Alann und ihre Kinder hinausgingen,
um sie zu suchen, da fanden sie nur ihre Leiche; aus dem Felsen
trat aber der Engel im Mosenlicht, küßte die Entseelte auf die
Stirne, nahm ihr das Demantkreuz ab und schwang sich damit
Meiche, Sagenbuch. 66