Full text: Sagenbuch des Königreichs Sachsen

— 1043 — 
das Einstürzen der Firste durch Zimmerung verhütet. Die Last war 
groß, die auf dieser Zimmerung ruhte, und als der Steiger, etwas 
zurückstehend, eben eine Anordnung treffen wollte, hörte er ein 
Krachen in der Firstenzimmerung und im nächsten Augenblick ein 
gleiches: „Brüder, rettet euch!“ rief er, „schnell, es macht einen 
Bruch!“ (die Zimmerung bricht). Diesem Rufe folgten alle in der 
größten Eile, nur Oswald, der jüngste und rascheste von allen, blieb 
auf eine bis jetzt unbegreiflich gebliebene Weise zurück und wurde 
so verschüttet. Zwar gab man sich die unsäglichste Mühe, den 
armen Oswald zu retten, und immer neue Arbeiter lösten die be- 
reits ermatteten ab, aber vergebens; es brach immer mehr nach, und 
der Unglüchliche ward nicht wiedergefunden. Als nun aber die 
Braut des armen Bergmanns die furchtbare Kunde vernahm, sank 
sie zuerst in eine tiefe Ohnmacht, aus der sie nur wieder erwachte, 
um in eine tödliche Krankheit zu verfallen. Zwar besiegte ihre 
Jugendkraft dieselbe und sie ward dem Leben erhalten; allein als 
sie nach ihrer Genesung zum ersten Male wieder das Gotteshaus 
betrat, da brachte sie am Altar der hochheiligen Alutter des Herrn 
das Gelübde, ihrem Oswald treu zu bleiben und ihr Leben lang 
nur als Jungfrau zu leben und zu sterben; dann hing sie ihren 
Brautkranz mit eigner Hand unter den übrigen Totenkränzen in 
der Kirche auf und lebte nun in tiefster Stille, den Segen der 
Armen verdienend. 
So gingen denn seit jenem Unglüchstage viele Jahre dahin, 
und zuletzt waren nur noch die jungfräuliche Braut, sowie drei 
Bergleute, Balthasar Thomas Kendler, Andreas Reiter der ältere, 
beide in Ehrenfriedersdorf, sowie Simon Löser, in Drebach wohn- 
haft, von allen denen übrig, die damals das unglückliche Ereignis 
mit angesehen hatten. Da fügte es sich, daß in Brünlers Fund- 
grube am Sauberge ein Stollen bewältigt wurde, und als man in 
die siebente Lachter im rolligen Gebirge fortgerückt war, stieß man 
auf einen in der Erde liegenden menschlichen Körper, der noch in 
seinen unverwesten Kleidern dalag. Mit vieler Mühe machte man 
ihn von seiner drängenden Umgebung frei und schaffte ihn nach 
dem Tageschachte; da brach dieser harte Leichnam mitten ausein- 
ander und man konnte ihn also nur in zwei Stücken heraufwinden. 
Der Leib, Kopf und Arme waren noch beisammen, doch der Körper, 
wahrscheinlich beim Herausziehen, zerrissen oder vielmehr zerbrochen. 
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