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Stelle, wo der Brudermord geschehen sei, jeden Morgen in eigener
Person eine Seelenmesse lese, bis deren tausend voll seien. Der
Brudermörder starb indes, ehe er die Buße erfüllt hatte, und mit
ihm erlosch sein ruhmreiches Geschlecht. Bis heutigentags aber soll
er noch keine Ruhe im Grabe gefunden haben, weil er die Buße
noch nicht vollbracht hat. Man will ihn darum bis in die jüngste
Zeit des Nachts auf der Straße am Fuße des Treppenhauers ge-
sehen haben, wie er im Priestergewande, mit einem Buche unter
dem Arme, umherwandelt und verzweiflungsvoll zum Himmel
emporblickt.
Der Platz, wo der Brudermord geschehen sein soll, liegt im
heutigen Königlichen Staatsforst, ungefähr 15 Minuten von der
Stadt Frankenberg, und heißt jetzt noch die „Frühmesse".
1252. Vom flinken Knecht zu Rechenberg.
Köhler, Sagenbuch, Ar. 466; Gießler, Sächs. Volkssagen, Stolpen o. J.,
S. 289.
An der südlichen Grenze des meißnischen Erzgebirges lebte
vor alter Zeit ein wohledler Ritter, mit Namen Kurt von Bechen-
berg, auf seinem Stammschlosse Rechenberg an der Mulde, von
welchem sich noch jetzt Ruinen auf einem Felskegel am rechten
Talgehänge inmitten des freundlichen Flechens Rechenberg vorfinden.
Hochbegütert und vom Glanze einer zahlreichen Dienerschaft
umgeben, lebte der fromme Edelmann gar glückliche Tage dahin.
Seine Diener hielt er gleich eigenen Kindern wert, und er wurde
darum von allen auch wiedergeliebt wie ein Vater.
Da geschah es eines Tages, daß ein junger, dürftig gekleideter
Bursche aus fremden Landen zum Ritter Kkam und ihm seine Dienste
anbot. Das treuherzige Wesen des jungen Alannes, der erzählte,
wieviel Elend er schon habe ertragen müssen, gefiel dem Herrn von
Rechenberg und er nahm ihn in seinen Dienst.
Georg — so hieß der junge Bursche — war munter und flink
auf den Füßen; er flog gleichsam wie ein Pfeil, wenn ihn sein Herr
irgendwohin sandte, und seiner tätigen, willfährigen und geschickten
Hand glückte alles wunderbar, ja, es schien ordentlich, als wenn ein
besonderer Segen auf seinem Tun ruhte. Ein außerordentliches