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Die Worte Georgs erfüllten sich; die Feinde nahten erst, nach—
dem alle Vorbereitungen zu deren nachdrücklichem Empfange ge—
troffen waren. Sie wurden über die Grenze zurückgetrieben, und
dabei zeichnete sich Georg durch persönliche Tapferkeit aus, so daß
er sich noch mehr die Liebe seines Herrn gewann.
Später zeigte sich die Treue und Liebe Georgs noch auf eine
andere Art. Sein Herr gab ihm einst ein Schreiben, welches nach
dem Rittersitze Grünau bei Marienberg bestimmt war, mit dem
Bemerken, bei der Bestellung zu eilen, dieweil es not habe, der
Ort, wohin der Brief solle, fern liege und die Sonne schon tief
stehe. Georg versprach's und rühmte sich, die drei Meilen bis nach
dem Orte Grünau mit der Schnelle eines Vogels zurücklegen zu
wollen. Aach Verlauf einer Stunde aber kam der Ritter von un—
gefähr in den Stall. Wie erstaunte er da, als er seinen Knecht,
den er weit fort glaubte, in einer Eche des Stalles, auf Stroh ge-
bettet, sanft schlafend fand. Da ward der Ritter unwillig und
wechkte den Knecht auf, indem seine Augen in aufsteigendem Zorne
funkelten, doch bezwang er sich, denn sein Herz war gut und sein
Gemüt lauter und fromm. Erschrocken vor seines Herrn plötzlicher
Umwandlung fuhr Georg auf: „Da, lieber Herr, — o zürnt mir
nur nicht! — da ist ja schon die Antwort!“ Unter diesen Worten
überreichte er das Gegenschreiben. „Bei allen Heiligen!“ rief der
Ritter aus, dessen Angesicht erbleicht war, „es ist die Wahrheit!
Sage, Georg, wie wäre das wohl möglich? Du müßtest schneller
als der Sturm, flüchtiger als der Raubvogel gewesen sein, um das
zu vollbringen. Du warst also wirklich in Grünau?“ Und als
Georg diese Frage bejahte, verfinsterten sich des frommen Bechen-
bergers Züge; mit stillem Grausen erbrach er zitternd das Schreiben
und taumelte mit Entsetzen zurück, als er wirklich die ihm wohl-
bekannte Handschrift des weit entfernten Freundes in Grünau erblichkte
Aachdem er die Antwort gelesen hatte, hob er also an: „So
ist es denn wahr, was ich nimmermehr für möglich gehalten hättel
Dies zu vollbringen, reicht die Menschenkraft nicht aus. Entweder
bist du, seltsames Wesen, ein Bote Gottes, oder ein Abgesandter
des Teufels! Die Weise deines Tuns, wie auch dein Tun selber ist
unheimlich und verschlossen, und du scheinst mir unmöglich ein
Sterblicher zu sein!“ Da verwandelte sich schnell, wie durch Zauber-
kraft, der rätselhafte Jüngling vor den Augen des Ritters, und eine