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Zeit entgegen. Da sank der sonst so mutige Kreuzfahrer in wilder
Verzweiflung in die Knie und gelobte der heiligen Jungfrau zu
Ebersdorf, daß, wo sie ihn aus dieser Todesnot befreien und glück—
lich in sein Ahnenschloß zurückkehren lassen werde, er ihr ein Schiff—
chen ganz mit gutem Gold gefüllt als Opfer darbringen wolle, und
solle er auch sein ganzes Eigentum dabei aufwenden. Und siehe,
fast augenblicklich legte sich der Sturm, die Wogen glätteten sich,
und ein günstiger Wind trieb das Schiff schnell und glücklich in
den sichern Hafen. Der Ritter vergaß aber nach seiner glücklichen
Heimkehr sein Gelübde nicht; er ließ von einem geschickten Künstler
ein Schiffchen anfertigen, füllte es mit Gold an und hing es zum
ewigen Andenken in der Kirche zu Ebersdorf am Altare der heiligen
Jungfrau auf. Zwar hat die Lichtenwalder Gutsherrschaft nach
der Reformation sowohl dieses Gold als alle andern Kostbarkeiten
und Autzungen der Kirche an sich genommen, nachdem sie die Ver—
pflichtung eingegangen war, dieselbe in allen Baulichkeiten zu
unterhalten, ja, sollte sie einmal abbrennen, ohne Zutun der Ge—
meinde und des Kirchenärars aus ihren Mitteln wieder aufzubauen,
allein das Schiffchen ist heute noch zu sehen und erinnert uns an
jene Zeiten, wo man noch in frommer Einfalt an unmittelbare
göttliche Einwirkung auf das menschliche Schickhsal glaubte.
1254. Die Betfahrt nach Ebersdorf.
Gräße, Bd. I, Nr. 559; Ziehnert, S. 447.
In Ebersdorf stand vor alten Zeiten in der noch jetzt auf
dem dasigen Kirchhofe stehenden Kapelle ein berühmtes Mutter-
gottesbild. Dasselbe wurde so häufig besucht, daß außer dem
Pfarrer noch sechs Kaplane angestellt werden mußten, welche in
den sechs um die Kirchhofmauer herumstehenden sogenannten Pfaffen-
häusern wohnten. Unzählige Wunder sollen von dem Marienbilde
vollbracht worden sein, und man zeigt noch eine Menge Reliquien,
z. B. das berühmte Goldschiffchen (vgl. Sage Nr. 1253) und eine
Krücke, welche ein durch die Berührung des Moarienbildes geheilter
Lahmer getragen hat. Diese Krückhe ist mit der Jahreszahl 1333
gezeichnet und man liest an ihr die eingeschnittenen Worte: „Kruck, Du
bist mein Ungluch — zu meinem Ungluck hab ich ein schön Kruck."