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mehreren Rittern und brach die beiden Raubritterburgen Zinnberg
und Drachenfels. Das Fräulein aber soll bald darauf ihrem Leben
aus Verzweiflung selbst ein Ende gemacht haben.
L 1256. Das Hufeisen an der Nikolaikirche zu Leipzig.
Gräße, Bd. J, S. 359, Anm.; nach Ziehnert, S. 174ff.
Zur Zeit, wo das jetzige Leipzig nur durch einen dunkeln
Hain schattiger Linden repräsentiert wurde, wohnte in der Aähe
desselben auf hohem Schlosse ein König, der aber schon hochbejahrt
war, mit seiner Tochter; am Fuße des Berges lag ein wohlhabendes
Dörfchen, und alles Land ringsherum, soweit man schauen konnte,
gehörte ihm eigen. Allein so glüchlich er hätte sein können, er hatte
keine zufriedene Stunde. In der Aähe des Dörschens hauste näm-
lich ein greulicher Lindwurm, dem man jeden Tag, um ihn bei
Gutem zu erhalten, zwei Schafe vorwarf. Siehe, da waren nach
und nach alle Ställe geleert, und man beschloß nun, statt jener ihm
täglich ein Menschenopfer zu gewähren. Jedermann mußte losen,
reich und arm, alt und jung, beide Geschlechter ohne Ausnahme.
Siehe, da traf eines Tags das Los die schöne Königstochter, und
schon wollte man sie hinaus dem Drachen entgegenführen, da nahte
auf einmal ein schöner Jüngling hoch zu Roß in silbernem Harnisch
und kostbarem Waffenschmuck; dieser war der Ritter St. Georg.
Der erbot sich, den Drachen zu fällen, und ritt ihm hühn entgegen.
Der Drache kam ihm aber schon wutschnaubend in den Weg, um
seine Beute zu holen, doch jener stieß ihm die Lanze in die Seite;
dies geschah in der Gegend des heutigen Thomaskirchhofes, wo noch
jetzt (?0) der Ritter im Kampfe mit dem Drachen über der Tür eines
Hauses gemalt zu sehen ist. Allein so scharf die Lanze war, das
Leben hatte sie dem Ungetüm nicht geraubt; im Gegenteil vor
Schmerzen brüllend wälzte es sich, mit seinem furchtbaren Schweife
um sich schlagend, dem Dörfschen zu. Der Ritter sprengte immer
hinter ihm her, um, wenn die Gelegenheit günstig sei, ihm den
Todesstreich beizubringen. Da versagte plötzlich (an der Stelle, wo
sich jetzt die Ritterstraße befindet, die von dem Mitter St. Georg
ihren Namen hat) sein Roß seine weitern Dienste, denn es hatte ein