Full text: Sagenbuch des Königreichs Sachsen

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„Was soll das elende Gestrüpp?“ fragte Miesco wegwerfend 
und bezeigte nicht übel Lust, die jungen Bäume durch einige kräf— 
tige Fußtritte zu zerknicken. Aber Boleslav hielt ihn ängstlich 
zurück und erzählte ihm, in welch wichtiger Beziehung zu ihm und 
zu seinem Hause diese Bäume stünden. 
Da lächelte Mliesco boshaft: „Und für den abwesenden Bruder 
hat niemand einen Baum gepflanzt? JIch sehe ihrer nur sechs. Und 
auch dem Namen nach bin ich ausgeschlossen?“ 
„Du hattest uns aufgegeben, nicht wir dich!“ entgegnete 
Boleslav begütigend. 
„Aicht wahr,“ fuhr Mliesco fort, „ich hätte, wie ihr, mich 
gegen unser Volk und unsere Götter verschwören sollen? Sch mag 
kein Sklave dieser Deutschen sein, die ich hasse, wie alles, was sich 
knechtisch an sie hängt. Ich frage dich, Boleslav, warum ist für 
mich Rkein Baum gepflanzt worden?“ 
Boleslav, vor des Bruders hämischer Miene erschreckend, zuckte 
die Achsel. 
„So wirst du hoffentlich gestatten,“ fügte jener drohend hinzu, 
„daß ich, der alleinige und rechtmäßige Erbe dieses Bodens, der 
erstgeborene Träger des neuen Geschlechts, mir jetzt auch meinen 
Baum hierher neben die andern pflanze, und zwar obenan, wie 
sich's gebührt?“ 
„Gern, Bruder; seit wir uns versöhnt haben, gebührt auch dir 
eine Stelle im Familienheiligtume.“ „Also nur durch deine Ver- 
söhmung bin ich dieser Ehre teilhaftig geworden?“" lachte Miesco 
bitter. „Aun, ich hoffe, du wirst in deiner Güte noch weiter gehen 
und wirst gestatten, daß der neubachene Name „Sechseichen“, da 
ich jetzt wieder zur Familie gehöre, fortan in den passenderen 
Aamen Siebeneichen“ verwandelt werde."“ 
„Der Name kam vom Kaiser und kann nur mit seiner Be- 
willigung geändert werden,“ warf Boleslav ruhig, aber fest hin. 
„In diesem Punkte habe ich nichts zu gewähren.“ 
„Aber ich habe in diesem Punkte zu fordern!" höhnte Mliesco. 
„Jch bin ein Feind dieses stolzen Sachsen und seiner Deutschen, die 
unsere Altäre stürzten und uns in Ketten schlugen, und werde es 
ewig bleiben. Von ihm will ich keine Gnade; aber ich fordere 
mein gutes Recht, mein väterliches Erbe, und rate dir, meiner 
Forderung dich zu fügen.“
	        
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