Full text: Sagenbuch des Königreichs Sachsen

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ein frommes, schwer errungenes Werk heiligt und in tiefer Buße 
die Frevel des Ahnherrn sühnt!“ 
Boleslav hörte nicht mehr das schallende Gelächter des Bruders; 
die erstarrende Faust ließ den Baum los, und er sank zurück. Der 
letzte Ritter von Sechseichen lag tot unter den Zweigen des ver- 
hängnisvollen Baumes. 
Miesco eilte indes zu den Seinen, die bei dem Zweikampfe 
der Brüder auch ihrerseits über die Diener des Burgherrn her- 
gefallen waren und durch ihre Uberzahl schnell den Sieg davon- 
trugen. Boleslavs Fall besiegelte den Untergang der Deutschen. 
Was dem Schwerte der Sorben entrann, wurde unter Spott und 
Hohn zur Burg hinausgestoßen. Aliesco war nunmehr Herr der- 
selben, die er jetzt „Siebeneichen“ nannte. 
Aber bald wirkte der Fluch des Bruders. Der neue Burg- 
herr nebst seinen beiden Söhnen hauste übel in der Umgegend, so 
daß endlich die geängstigten und erbitterten Bauern im Bunde mit 
einigen Edelleuten die Burg zur Nachtzeit überfielen und das Raub- 
nest zerstörten. Tugumir und Stomef entkamen, Mliesco aber ward 
von der racheschnaubenden Menge an die von ihm gepflanzte Eiche 
gebunden und mit Armbrustschüssen langsam zu Tode gemartert. — 
Seine Söhne nahmen später an dem Gastmahl teil, das Mark- 
graf Gero den slavischen Edlen auf der Burg Meißen gab, wobei 
er sie aber alle töten ließ. (Vgl. Nr. 934.) Aur Stomef entkam 
dem Gemetzel, ertrank aber auf der Flucht in der Elbe. 
Wohl fünfzig Jahre waren darüber vergangen. Da erschien 
ein an Krücken schwankender Bettler in den Trümmern des Schlosses 
Siebeneichen. In seinem leinenen Schultersackh trug er einen kleinen 
Schatz von Gold= und Silbermünzen, die er auf langer Büßerfahrt 
gesammelt hatte. Er hatte Steinmetzen bestellt und befahl ihnen, 
mit diesem Gelde eine Kapelle zu bauen, zu dessen Hauptgebälke 
er von den Bauleuten einen alten Eichenstamm — es war Mliescos 
Eiche — fällen ließ. Als nach einigen Monaten der Bau vollendet 
war, ließ sich der müde Pilger hier als Einsiedler nieder, und die 
ganze Umgebung kRham zu der neuen Kapelle, um den erhebenden 
Worten des Bruder Martin zu lauschen. 
Erst nach seinem Tode erfuhr man aus hinterlassenen Auf- 
zeichnungen, daß der Klausner Thimo, ein Sohn Tugumirs, gewesen 
war. Er hatte den Fluch, der auf des Ahnherrn Eiche ruhte, ge-
	        
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