Full text: Sagenbuch des Königreichs Sachsen

— 1072 — 
1265. Das Sensenduell im tiefen Grunde bei Hohnstein. 
A. Tromlitz, Romantische Wanderungen durch die Sächs. Schweiz, Leipzig 
(ca. 1855), S. 141 ff. 
Wo im tiefen Grunde bei Hohnstein das Waitzdorfer in den 
Grundbach fällt, da ist eine Sense und ein Kreuz mit der Zahl 
1699 in den Felsen gehauen, zur Erinnerung an folgende Be- 
gebenheit. Zwei Burschen aus Waitzdorf, beide reich, hübsch und 
munter, warben um ein Wädchen, das beiden gleich gewogen war. 
Ihr Charakter mochte durch die Erzählungen ihres Vaters, eines 
alten preußischen Husaren, einen etwas überspannten Anstrich be- 
kommen haben, denn sie erklärte nach langem Zögern auf dem 
Kirmesfeste ihren Bewerbern, nur dem mutigsten von ihnen ihre 
Hand geben zu wollen. Das Mädchen mußte recht brav und hübsch 
sein, denn die jungen Burschen, die sonst gute Freunde waren, und 
die nicht wußten, wo und wie sie ihren Mut beweisen sollten, be- 
schlossen, sich im Zweikampfe zu messen. Im tiefen Grunde wollten 
sie zusammenkommen. 
Sie benachrichtigten das Mädchen davon und verlangten von 
ihr, sie solle beim Kampfe gegenwärtig sein und den Vorgang ver- 
schweigen. Das törichte Mädchen, dessen Eigenliebe sich geschmeichelt 
fühlte, glaubte, der Zweikampf werde nur ein Faustkampf sein, 
stellte sich zur bestimmten Zeit ein und findet die Burschen schon an 
Ort und Stelle, sonderbar zum Zweikampf geschmücht. Beide in 
leinene Jächchen mit roten Bändern gekleidet, einen Strohhut auf 
dem Kopfe, an dem die Bänder flattern, die das Mädchen ihnen 
geschenkt hat, stehen sie mit neuen Sensen vor ihr und fragen sie, 
ob sie auch jetzt noch nicht einen von ihnen vorziehe. Verblendet 
beharrt sie auf ihrem Willen. Die Burschen reichen sich und ihr 
nun treuherzig die Hand, sagen sich Lebewohl und beginnen den 
Kampf. Beide bluten, das Mädchen schreit, bittet einzuhalten, will 
sich jetzt zwischen sie werfen, doch im selben Augenblicke fällt der 
eine tot nieder; die feindliche Sense hat ihm das Herz durchstochen. 
Ohne auf das Mädchen zu achten, stürzt sich der Sieger auf seinen 
Freund, jammert und klagt, aber die Klage weckt ihn nicht wieder 
auf. Da reicht die neben ihm Knieende dem Sieger die Hand, doch 
der stößt sie zurüch, wirft sich noch einmal auf den toten Busen- 
freund, weint und Rklagt von neuem, springt dann auf und eilt fort. 
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