Full text: Sagenbuch des Königreichs Sachsen

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1267. Das Veilchen vom Czorneboh. 
Gräße, Bd. IIL, Nr. 779; poetisch behandelt von Kockel bei Röhler, Der 
Czorneboh, Bautzen (1853), S. 43 ff. 
Als noch das Wendenland im heidnischen Aberglauben ver- 
sunken war, da verehrten die Sorben einen Götzen, Czorneboh, von 
dem der Berg den Namen hat, weil er hier oben ein prächtiges 
Schloß bewohnte. Derselbe hatte aber ein liebliches Töchterlein, das 
er höher schätzte als alle seine Schätze. Wie nun aber das Christen- 
tum sein Licht auch in diese Gegend trug, da wußte er, daß sein 
Reich auf dieser Welt zu Ende war, und als das Kreuz zum ersten 
Male auf dem Berge erglänzte, da war der Götze zu Stein ge- 
worden und mit ihm sein stolzes Schloß; sein reizendes Töchterlein 
aber ward in ein bescheidenes Beilchen verwandelt. Alle 100 Jahre 
einmal in der Walpurgisnacht erwacht die Jungfrau zum Leben, 
und wem es beschieden ist, das Beilchen in diesem Augenblicke zu 
pflücken, der erhält die holde Jungfrau mit allen Schätzen ihres 
Vaters. 
1268. Die Totenlinde zu Uhyst am Taucher. 
Pilk im „Sächsischen Erzähler“ (Bischofswerda), Belletristische Beilage vom 
17. März 1894; vergl. Haupt und Schmaler, Volkslieder der Wenden 
(Grimma 1841), S. 37. 
Einen Platz zu Uhyst beschattete ehedem der mächtige Wipfel 
einer alten Linde. Das Andenken an die letztere soll noch jetzt im 
Volke unverwischt fortbestehen. Man nannte sie die Mord= oder Toten- 
linde. Von ihr geht folgende ergreifende Sage: 
Unter diesem Baume befand sich einst das Lieblingsplätzchen 
einer gefeierten Schönheit. Eine Jungfrau von Uhyst war es, welche 
alle Töchter des Landes an körperlichen Reizen überstrahlte. Der 
Zauber ihrer Anmut lochte denn auch viele Bewerber, darunter man- 
chen aus edelstem Geschlechte, herbei. Einst nahten wiederum auf 
hohen Rossen zwei adelige Herren. Des Herzens sehnend Verlangen 
trieb die blühenden Jünglinge zu der Schönen von Uhyst. Ans 
Fensterlein des Schenkhauses setzten sie sich, zur Seite der Viel- 
begehrten. Als nun beide in heißer Liebesglut um ihre Hand sich 
bewarben, da gab die Jungfrau scherzhaft wohl den Rat, die Freier 
68“
	        
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