Full text: Sagenbuch des Königreichs Sachsen

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Mutter ließ hierauf die drei Leichen heimlich in die Burg bringen 
und nachdem sie ausgesprengt, alle dreie seien schnell einer bös— 
artigen, anstechenden Krankheit erlegen, in der Schloßkirche bei— 
setzen. Ihrem Liebhaber aber schrieb sie, das Hindernis ihres 
Ehebundes sei nunmehr beseitigt, und er solle nun zu ihr kommen. 
Derselbe kam auch, allein er sagte ihr mit trauriger Miene, er 
habe sie nur prüfen wollen, ob ihre Sinnlichkeit bei ihr ihre 
Mutterliebe übersteige, nunmehr könne er sie, eine Kindesmörderin, 
nicht ehelichen. Setzt überfiel die unglüchkliche Frau furchtbare Reue, 
und da sie meinte, daß ihre entsetzliche Schuld nur durch die 
schwerste Buße gesühnt werden Bönne, ließ sie sich ihre beiden 
Kniee mit Polstern umkbleiden und trat nun von ihrer Kammer- 
frau begleitet in leichtem Bettlergewande ihre Bußfahrt zu dem 
Papste nach Rom, immer auf den Knieen fortrutschend, an. Auf 
der Hälfte des Weges starb aber ihre Begleiterin und sie mußte 
nun allein ohne jegliche Unterstützung ihre Reise fortsetzen. Als sie 
endlich an dem ihr bezeichneten Kloster in Rom, wo sie abtreten 
und angeblich Absolution finden sollte, angekommen war, schlug 
gerade die zwölfte Stunde. Sie vermochte es nicht mehr sich auf- 
zurichten und an der Schelle zu ziehen, ihre Füße hatten die 
Fähigkeit und Kraft verloren, sie zu tragen. Sie sank vor Er- 
schöpfung nieder und wurde frühmorgens vor den noch un- 
geöffneten Pforten des Klosters von Vorübergehenden tot auf- 
gefunden. Ihre Seele fand daher -eine Ruhe, sondern schweift 
seitdem als weiße Frau in dem Botengarten oder Raubgarten, 
dem jetzigen Pfarrgarten von Meerane, umher. 
  
Sagenbuch, Bd. I, S. 15.) In dem alten Volksliede von derselben (in 
Brentanos Wunderhorn, Bd. II, S. 236) sagt der Knabe: 
Lieber bager, laß mich leben, 
Will dir Orlamünde geben, 
Auch die Plassenburg, die neue, 
Und es soll mich nicht gereuen! 
und das Alädchen sagt: 
Lieber Hager, laß mich leben, 
Will dir meine Deche geben, 
Engel, Bengel laß mich leben, 
Will dir meinen Vogel geben. 
Jener H. ist offenbar der Hager, der Diener der Gräfin von Orla- 
münde, der die Kinder ermordet haben soll.
	        
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