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sich nicht mit der Wiedergabe der einfachen Tatsache begnügt,
sondern sie auch erklärt und dazu Anschauungen benutzt, die im
Volke allgemein umlaufen und auch auf jeden ähnlichen Fall
angewendet werden können.
Ihren Stoff entlehnt die Sage ungewöhnlichen Formen
oder Vorgängen in der Natur (Erratische Blöcke, Irrlichter, Ge-
witter usw.), allgemein menschlichen Zufällen (Traum, Krankheit,
Tod u. dergl.) und den ganze Völker oder einzelne Volksgruppen
berührenden geschichtlichen Ereignissen (in denen sich eine Kultur-
epoche widerspiegelt). Aus jenen erwächst die muthische Sage,
aus diesen die historische.
Die Sage kann daher durch wissenschaftliche Untersuchung
auf ihren wahren Kern zurückhgeführt werden — nur vereinzelt
wird sie sich als bloße Erfindung entpuppen —, ihrem Wesen
nach aber fordert besonders die mythische Sage unbedingten
Glauben, der über den jeweils herrschenden Glauben, nicht nur
der Kirche, hinausgeht. So verquicken sich Sage und Aberglaube,
ja man möchte die Sage in vielen Fällen geradezu als den durch
Beispiele gestützten und erwiesenen Volksglauben bezeichnen, als
einen dramatisierten Aberglauben. Umgekehrt können natürlich
Sagen verblassen und abergläubische Vorstellungen als BRüchstand
verbleiben.
Demnach sind z. B. die Erzählungen bei Gräße (Nr. 277)
von der schönen Polyxena, die ihren Ehegatten um eines Buhlen
willen ermordet und darum enthauptet wird, oder (Nr. 280) von
dem Affen, der zu Freiberg mit einem Wichelkinde auf ein Dach
flüchtet, aus einem Sagenbuch auszuscheiden und etwa einer
Sammlung merbwürdiger Begebenheiten einzufügen. Anderes
wieder würde in ein Werk über den Aberglauben in Sachsen
oder als Beitrag zu einem Buche über sächsische Städtewahr-
zeichen dienen können usw.
Soweit es sich um übernatürliche, auf den Glauben ge-
stellte Züge im Wesen der mythischen Sage handelt, wird eine
verschiedene Weltanschauung über die Aufnahme einzelner Sagen
in eine Sammlung solcher immer geteilter Ansicht sein. Dem