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von seinem Wagen ab und verschwand. Kaum hatte sie das Gesicht
ihrer bekümmerten Mutter erzählt, als sie auch schwer erkrankte,
und es waren nicht 24 Stunden verronnen, da war das Mädchen
entschlafen. Seit dieser Zeit sagte man aber, daß sich der Geist
des Kärrners mit seinem Wagen und Hunde in den Gassen von
Stollberg allnächtlich sehen lasse, und wo er vor einem Hause anhält
und Kränze abladet, da wird eins aus demselben drei Tage nachher
begraben, und wenn jemand in der Stadt auf den Tod liegt, da
sagt man: dort hat der Kärrner abgeladen; das Sumpfloch aber,
worin er sein Grab fand, heißt noch heute das Kärrnerloch.
115. Die umherwandelnde Gräfin in der Kirche zu
Wildenfels.
Köhler a. a. O., Ar. 60.
In der früheren, jetzt nicht mehr vorhandenen Kirche zu
Wildenfels befanden sich die Begräbnisse der verstorbenen GElieder
der erlauchten gräflichen Familie der Herrschaft. Alte Leute erzählen
noch jetzt, einst habe eine verstorbene Gräfin daselbst nicht Ruhe
finden können, sondern sei oft in der Kirche umhergewandelt und
habe die Orgel gespielt. Als sich endlich der Pfarrer des Ortes
entschloß, sie zur Ruhe zu bringen, habe er den Kantor vor der
Kirchtüre mit der Weisung stehen bleiben lassen, während seiner,
des Pfarrers Abwesenheit in der Kirche, ein Gebet zu verlesen.
Als der Kantor aus Meugierde durch ein Schlüsselloch sah, soll eine
Stimme gerufen haben: „Es guckt!“ Nach Beendigung der Be-
schwörung trat der Pfarrer aus der Kirche und verkündete dem
Kantor, daß sie beide in dem Jahre sterben müßten. Solches soll
auch geschehen sein.
116. Die gespenstige Frau auf dem weißen Fels im
Hartensteiner Walde.
Köhler a. a. O., Ar. 45.
Auf dem zwischen Schloß Stein und Aieder-Schlema auf der
Höhe des rechten Muldenufers emporragenden weißen Fels und in
dessen Umgebung hat sich vorzeiten eine Frauengestalt sehen lassen.