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Anfangs erschien dieselbe als weiß gekleidete Jungfrau, später aber
als altes Mütterchen. In dieser Gestalt ist sie noch vor einigen
Jahren von Holzlesern gesehen worden.
117. Der gespenstige Freier auf Hartenstein.
Gräße, Bd. I, ANr. 556; poetisch beh. von Wiese bei J. Günther,
Großes poetisches Sagenbuch der Deutschen, Jena 1846, Bd. I, S. 123.
Auf dem Schlosse Hartenstein, dem Stammschlosse der Schön-
burge, fand sich einst jeden Tag ein Schattenritter ein. Man
nannte ihn König Vollmer den Geisterkönig. Er hatte, man weiß
nicht wie, die Liebe der schönen Kunigunde von Schönburg, als sie
noch Kind war, gewonnen und dieselbe erklärte, ihn und Reinen
andern wolle sie ehelichen. So ritt er denn jeden Tag auf unsicht-
barem MBosse ins Burgtor ein, zog dasselbe, ohne daß jemand es
sah (nur hören konnte man seinen Tritt), in den Stall und stieg
dann selbst unsichtbar und nur am Schall seines Trittes kenntlich,
die Schloßtreppe hinan. Dort Rkam ihm seine Braut entgegen, der
reichte er seine Hand — das war der einzige fühlbare Teil seines
Körpers, weich und glatt, aber eiskalt — und nun sprachen und
kosten sie zusammen, wie zwei Liebende es tun. Dann schritten sie
in den Speisesaal, wo ihrer schon der Bruder des Fräuleins harrte,
und alle drei setzten sich zu Tische und aßen und tranken nach
Herzenslust. Die dem Schattenritter vorgelegten Speisen und der
Wein in seinem Becher verschwand, und doch sah niemand, wo es
hinkam. Man hörte nur des Schattenbräutigams Stimme und der
Graf, dem früher vor seinem geisterhaften Schwager gegraut, faßte
immer mehr Aeigung zu ihm, denn er hatte an ihm einen steten
treuen Berater und Warner bei bevorstehendem Unglüch. Wenn
das Mahl vorüber war, verließ der Graf die beiden Brautleute, und
so saßen sie bis kurz vor 1 Uhr; da nahm der gespenstige Gast
eilig Abschied. So trieb er es viele Jahre, da äußerte einmal das
Fräulein, wie sie sich nach einem Kusse von seinem Munde sehne,
und siehe ihr geisterhafter Bräutigam antwortete: „Lebe wohl auf
ewig, weil ich an deine rein geistige Liebe glaubte, verließ ich
mein himmlisches Reich, um bei dir zu sein, jetzt wo du an irdische