Full text: Sagenbuch des Königreichs Sachsen

— 140 — 
same Gerüchte verbreiteten sich über ihr Dahinscheiden; feierlich 
wurde sie zur Erde bestattet und mit Grauen gedachte man der 
Puppe, die still in ihrer Lade lag. 
Allein nach dem Begräbnisse der Hausmutter hatte dieselbe 
keine Ruhe mehr; in nächtlicher Weile stand sie auf, suchte ihre 
Kleider, die der neue Besitzer an sich genommen, und lief im ganzen 
Hause umher, so daß jeder Einwohner sich in der Nacht nicht ge- 
traute, über die ängstlich verschlossene Kammer zu schreiten. Selbst 
an Sonn= und Festtagen, wenn sich das junge Volk durch Spiel 
und Tanz ein Bergnügen bereitete, trippelte sie hinter den kräftigen 
Bergburschen und den rotwangigen Mlädchen her, so daß man 
anfangs floh, später aber, an die Erscheinung gewöhnt, sich nicht 
sonderlich mehr stören ließ. Der Wirt aber nahm sich ernstlich vor, dem 
Spuk ein Ende zu machen. In St. Michaelis wohnte nämlich in einem 
einsamen halbverfallenen Häuslein eine alte triefäugige Frau, von der 
man behauptete, es sei nicht ganz richtig mit ihr, auch habe man 
in ihrer Stube einst ein Geschöpf, einer Fledermaus ähnlich, bemerkt. 
Sie wurde nur die Haldenhexe genannt. An diese Person wandte 
sich der Wirt in seiner peinlichen Lage, und sie versprach unter 
seltsamen Gebärden die Puppe in der Lade. Allein die Geschichte 
scheint nicht geholfen zu haben, vielmehr rumorte die Puppe mehr 
als je, und es schien ihr gar nicht in der zugenagelten Lade zu ge- 
fallen. Kurze Zeit darauf kam auch das letzte Stündlein der Hexe 
und sie starb eines rätselhaften Todes. In seiner Not wandte 
sich nun der geplagte Erbgerichtsbesitzer an den Ortsgeistlichen in 
Erbisdorf. Der Pastor erschien, las einige lateinische Gebete vor, 
beschwor die Gestalt und schloß mit den Worten apage Satanas! 
Darauf entfernte sich der Geistliche. Unterwegs aber hörte er ein 
leises Husten und als er sich umdrehte, tanzte die Puppe spottend 
hinter ihm her, so daß er voll Grausen eilends nach Hause lief 
und Tür und Tor fest zuschloß. Und so blieb denn die Puppe 
ungebannt im Hause. Lange Zeit wohl mochte sich dieselbe ruhig 
verhalten haben, bis sie dann endlich wieder mit ihrem Spuke 
auftrat. Ihrem Treiben sollte aber nunmehr ein baldiges Ende 
bereitet werden. An einem sonnenhellen Nachmittage wurde die 
Lade mit allem Zubehör auf einen Schubkarren geladen und von 
einem Tagelöhner dem dunklen Spitalwalde zugefahren. Je näher 
er demselben Rkam, desto schwerer wurde die Lade, so daß ihm der
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.