Full text: Sagenbuch des Königreichs Sachsen

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umher. Das war ein böser Beamter, der bei Lebzeiten seine Unter- 
gebenen gar hart und übel behandelte und viele Grausamkeiten 
und Ungerechtigkeiten beging, weshalb er keine Ruhe im Grabe 
gefunden hat. Als er gestorben war und seine Leiche aus der Tür 
des von ihm bewohnten Echhauses, neben dem römischen Kaiser 
am MUlarkt, im Sarge herausgetragen wurde, um begraben zu 
werden, da erklang plötzlich die harte, rauhe Stimme Seidelmanns, 
welcher die Träger verhöhnte, und er schaute in Schlafroch und 
Zipfelmütze in der ersten Etage aus einem der nach der Bretgasse 
gehenden Fenster heraus. Zu Tode erschrocken, ließen die Träger 
den Sarg fallen, in dem jedoch richtig der tote Seidelmann lag, 
während er oben am Fenster verschwunden war. Er wurde zwar 
begraben, von Stund an aber fing sein Geist in den früher von 
ihm bewohnten Zimmern an des Nachts zu rumoren und die Vor- 
übergehenden zu werfen, und es mußten deshalb sogar die Fenster 
zugemauert werden. Endlich, als es niemand mehr in dem Hause 
aushalten konnte, wurde Seidelmanns Geist durch die Geistlichkeit 
unter die Aikolaibrücke gebannt. Dort hat er aber so viel Menschen 
ins Wasser gelocht, daß er dort weg und in die „Sechsruten“ 
verbannt worden ist, wo er nun die Wanderer irre führt, und 
durch gellendes Rufen erschrechen macht. 
L 195. Der spukende Mönch im St. Georgenhause zu Leipzig. 
Gräße, 3Bd. 1, Ar. 443; nach Monatl. Unterr. aus dem Reiche der 
Geister, Bd. I. S. 665. 
Im 18. und den früheren Jahrhunderten ließ sich in dem 
Zucht= und Waisenhause zu St. Georg täglich ein Mönch sehen, der 
aber niemandem etwas zu leide tat. Aun trug es sich aber zu, 
daß der gewöhnliche Wächter dieses Orts in den zwanziger Jahren 
des vorvorigen Jahrhunderts, weil er der Gesellschaft dieses un- 
bekannten Gefährten überdrüssig war, den Vorsatz faßte, ihm, so- 
bald er ihm wieder begegnen würde, eine solche Ohrfeige zu ver- 
setzen, daß er ihm nicht sobald wieder in die Seite kommen sollte. 
Nach einigen ATächten begegnete er demselben auch, indem er mit 
einem Hunde um die zwölfte Stunde aufwärts ging, der Mönch 
aber herunterspaziert käam. Da er nun seinen Widersacher heran-
	        
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