Full text: Sagenbuch des Königreichs Sachsen

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Stock und gab damit der unten wohnenden Wärterin ein Zeichen; 
er hörte dieselbe auch ohne Verzug die Treppe hinaufkommen, die 
alte Frau aber wendete sich nach der Ecke der Stube und verschwand. 
Als die Wärterin heraufkam, erzählte ihr der Schüler den ganzen 
Vorgang, fiel aber alsbald vor Aufregung in Ohnmacht, also, daß 
man ihm eine Ader schlug, wobei aber kein Tropfen Blut kam. 
Dieselbe Frau ist aber auch noch andern Personen zur Mittagsstunde 
erschienen, wenn sie oben auf dem Boden des Turmes Wäsche auf- 
hingen. 
201. Das verliebte Gespenst zu Leipzig. 
Gräße, Bd. 1, Ar. 447; nach Monatliche Unterredungen im Reiche der 
Geister, S. 729. 
Einst hatte ein Student auf dem Neumarkt sich eine Stube 
gemietet, in welcher ihm mehrere Wochen nichts Wunderbares auf- 
stieß. Als er aber eines Tages nach elf Uhr zu Bett ging und 
der Mond so hell schien, daß er nach ausgelöschtem Lichte alles in 
seiner Schlaftammer unterscheiden konnte, sah er auf einmal eine 
alte Frau durch die Türe an sein Bett treten und während ihm 
vor Schreck der Angstschweiß vom ganzen Körper herablief, sich be- 
mühen ihn aus dem Bett zu ziehen. Weil er sich aber fest dawider 
stemmte, mit allen Kräften sein Bett hielt und zurüchzog, so stießen 
sie mit den Nasen zusammen. Der Geist ließ den schon in die Höhe 
gehobenen Studenten wieder niederfallen und verschwand unter lautem 
Seufzen. Als nun besagter Student am andern Abend später als 
sonst nach Hause Kam, und vor einem sonst zugeschlossenen Keller 
vorbei mußte, sah er denselben ganz geöffnet und ein helles Kohlen- 
feuer in demselben leuchten; er dachte sich jedoch dabei nichts, sondern 
begab sich in seine Stube, wo es denn auch nicht lange währte, 
bis der Geist wieder Kkam und dieselben verliebten Angriffe auf den 
Studenten machte, aber ebenso scharf zurüchgedrängt ward. Da 
derselbe also nicht ankam, machte er ein Zeichen, daß ihm der 
Student folgen sollte, was dieser aber wohlweislich nicht tat. Am 
dritten Abend bat er einige Freunde zu sich und nahm ein Karten- 
spiel vor, um die Zeit hinzubringen, weil er glaubte, die alte Person 
werde nicht wiederkommen, allein richtig zur bestimmten Stunde kam 
die Frau, während seine Freunde in tiefen Schlaf gefallen waren,
	        
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