Full text: Sagenbuch des Königreichs Sachsen

— 158 — 
210. Pestboten zu Leisnig. 
Lehmann, Historischer Schauplatz, S. 964. 
Anno 1685, am 26. Juni abends um 10 Uhr erschienen zu 
Leisnig vier Spektra (Gespenster), die eine Bahre vom Badertor bis 
zum andern um die Stadt trugen. Sie wichen auch nicht, obgleich 
die Leute aufeinander schrieen und einander aufwechten. 
211. Der Mönch auf dem Kreuze in Waldheim. 
Gräße, Bd. I, Nr. 355; Ziehnert, S. 481. 
In grauer Zeit vor Waldheims Entstehung stand auf der 
Stelle, wo später ein Augustinerkloster und seit 1716 die Strafan- 
stalt steht, das uralte Kloster Baldersbalda, welches so zeitig wieder 
einging, daß schon im elften Jahrhundert kaum noch Spuren da- 
von zu finden waren. In der letzten Zeit des Klosters lebte darin 
ein Mönch, der ein verruchter Bösewicht war. Seine eigene Schwester 
hat er zu fsündiger Blutschande gezwungen. Sie genas eines Kindes 
und brachte ihm dasselbe mit lautem Jammer und harten Vor- 
würfen. Da stellte er sich, als rühre ihn ihr Schicksal, und tröstete 
sie und versprach, sie an einen stillen Ort zu führen, wo sie mit 
dem Kinde leben könnte, vor den Augen der schmähsüchtigen Welt 
gesichert. Er führte aber die arglos Folgende in den Wald ohn- 
weit des Klosters, dorthin, wo sonst das Kreuz in der Oberstadt 
war (bis zum Brande 1831 der Kreuzweg). Hier züchkte er hastig 
seinen Dolch und stach ihn in das schuldlose Herzchen des Kindes, 
und als die unglückliche Mutter voll Entsetzen und Verzweiflung 
das sterbende Kind ihm zu entwinden suchte, da stieß er auch ihr den 
Dolch in die Brust. Zu Tode getroffen sank sie nieder; ihre letzten 
Worte verfluchten den Mlörder, daß er nicht eher Ruhe im Grabe 
finden sollte, als bis ein Toter, der im Leben noch größere Greuel 
als er verübt hätte, über den Mordplatz getragen würde. 
Jahrhunderte waren vergangen und der Fluch lastete noch 
immer auf dem heillosen Müönche. Um Mitternacht sah man oft 
seinen Schatten weinend und seufzend, einen blutigen Dolch in der 
Knochenhand, auf dem Kreuze stehen, und jedermann wich bei 
nächtlicher Weile dem verrufenen Platze aus. Da starb einmal in
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.