Full text: Sagenbuch des Königreichs Sachsen

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233. Spukgestalten in der Mühle zu Strehlen. 
Bergblumen, 1892, S. 7; auch in „Uber Berg und Tal“, Bd. VI, S. 291. 
Vor mehr als siebzig Jahren lebte im Dorfe Strehlen ein 
Müller, namens Gärtner, mit seiner Gattin in recht behäbigen Um- 
ständen. Da sie selber keine Kinder hatten, nahmen sie einen 
armen Waisenknaben zu sich, und namentlich war es der Müller, 
der sich des Knaben in aller Liebe annahm, während seine Frau 
sich wahrhaft stiefmütterlich betrug, und den armen Schelm durchaus 
nicht leiden konnte. Ofters machte ihr der Müller deshalb ernst- 
liche Vorstellungen, ihr Betragen wurde aber eher liebloser als 
freundlicher. Auch der arme Müller mußte darunter leiden, bis ihn 
endlich der Tod aus dieser Zeitlichkeit hinwegnahm. Von Stund 
an erging es dem unglücklichen Pflegesohn noch schlimmer; er be- 
kam nicht satt zu essen, wurde schlecht gekleidet und überaus lieblos 
behandelt. Zu dieser Zeit wohnte in der Mühle ein wohlhabender 
Hausgenosse, auch Gärtner mit Namen, der seinem Nachbar, dem 
Stellmachermeister Zöllner, öfters klagte, daß es in seinem Logis 
nicht ganz geheuer sei; es vexiere ihn nachts im Bette, stoße und 
kneife ihn und dergleichen mehr. — Der Stellmacher der an solche 
Sachen nicht glaubte, lachte darüber. Als ihn aber der Geplagte 
später einmal ersuchte, während seiner Abwesenheit das Logis zu 
hüten, wurde er anderer Meinung. Schon lag er in des Nachbars 
Bette und war im Einschlafen begriffen, als die Türe auf= und 
zugeschlagen wurde, Geräusch wie von Strohbändeln zu hören 
war usw., und das hielt an bis um die zwölfte Stunde. Zu dieser 
Zeit hörte er den Nachtwächter blasen, beruhigte sich, schlief und er- 
wachte erst am andern Morgen. Aun wußte er, was er von der 
Mühle zu halten hatte. Die folgenden Nächte pflegte er seines 
Wächteramtes vom Fenster seiner Wohnung aus; in die Mlühle 
wagte er sich aber nachts nicht mehr. Als nun der Abwesende 
nach Hause Kkam und das Geschehene hörte, sagte er zum Mieister 
Zöllner: „-Na, da sehn Sie, daß ich recht hatte.“ OSpäter erzählte 
Meister Zöllner der Witwe Gärtner den Vorfall, und diese bat ihn 
erschrocken davon zu schweigen, um nicht die Mühle, die sie gern 
verkaufen wollte, in Verruf zu bringen. Auch das Gesinde wollte 
allerhand Erscheinungen erlebt haben; namentlich sei manchmal ein 
schäbiger Kerl mit struppigen Haaren gesehen worden. Ferner er-
	        
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