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Gerippe auf, brachte es und legte dasselbe neben einer Tafel hin,
auf eine längliche Bank. Mit Grausen betrachteten die Anwesen—
den das Knochengerüst, brachen aber in laute Rufe des Unwillens
und Entsetzens aus, als sie sahen, wie das Gerippe seine Farbe
veränderte und erst blau, dann grün anlief, dabei auch einen un—
erträglichen Verwesungsgeruch um sich verbreitete. Da der Anstifter
des eklen Schauspieles verschwunden war, erschallte jetzt von anderer
Seite der Ruf: „Hinaus damit! Schaff es wieder fort, Maid!“ Die
Magd aber entgegnete: „Das ist nicht ausbedungen worden. Ich
trage es nicht zurück. Mag das Eure Sorge sein, wie Ihr's fort-
bringt!“ Moan redete ihr gütlich zu, bot ihr immer höheren Lohn,
sie aber weigerte sich standhaft. Um der Sache ein Ende zu
machen, sagte endlich einer der begütertsten Anwesenden: „Hier sind
15 Taler. Stecke sie ein, Mädchen, und trage das Gerippe wieder
dorthin, wo du es hergenommen!“ Da verlochte der hohe Verdienst
die Magd einzuwilligen. Wiederum hockte sie das Skelett auf den
Büchken und ging mit ihm hinaus. Die Gäste atmeten erleichtert
auf und begannen ein anderes Gespräch, um das eben Erlebte zu
vergessen. ANach einer halben Stunde jedoch fragte man: „Wo ist
die Mlagd geblieben?“ Sie war noch nicht zurüchkhgekehrt. Als
dieselbe noch länger ausblieb, ging der Wirt selber mit seinem Sohne
nach dem Friedhofe. Sie fanden die Türe des Beinhauses offen-
stehend wie früher. Auf dem steinernen Fußboden aber lag die
Magd, fest umschlungen von den Armen des Gerippes, tot da. Sie
war von demselben erdrücht worden (vergl. Ar. 98,).
250. Die drei Linden oder das neue Gebäude am Wege
von Schmölln nach Oberputzkau.
Pilk im „Sächsischen Erzähler“ (Bischofswerda), Belletristische Beilage vom
6. Januar 1893.
Auf dem Putzkauer Nabensteine, der sich am Wege zwischen
Schmölln und Oberputzkau befand, stehen heute zwei starke Linden.
Einst standen drei solcher Bäume hier. Das Volk nennt die Stelle
noch jetzt „die drei Linden“. Die letzte Hinrichtung wurde hier im
Jahre 1829 vollzogen.