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272. Pfarrer Neumann zu Sohland am Rothstein.
Archiv des Vereins für Sächsische Bolkskunde, Sammlung Pilk.
Von 1814—1837 wirkte als Pfarrer zu Sohland am Both-
stein Herr Mag. Neumann. Er stand in dem Ansehen eines
guten Predigers bis zu seiner letzten Amtszeit, wo er bisweilen un-
ziemliche Reden auf der Kanzel wie im gewöhnlichen Berkehre hören
ließ. So kRam er einst zu einem Knechte in den Stall, in seiner
Hand drei Hühnereier haltend, und fragte: „Weißt du, wer ich bin?“
Der Knecht antwortete: „Herr Pfarrer Neumann."“ Da aber ent-
gegnete Aeumann: „Nein, ich bin der Teufel!“ und warf die Eier
so heftig auf den Boden, daß die Dotter dem Knechte ins Gesicht
spritzten. A#icht lange darnach wurde der Pfarrer schwer krank.
Drei Tage lang währte sein Todeskampf. Sein Schmerzensgeschrei
steigerte sich bis zum Gebrüll, welches bis in der ziemlich entfernt
vom Pfarrhause liegenden Schule gehört wurde, so daß der Lehrer
mit den Schulkindern Fürbitte bei Gott einlegte. Mag. Aeu-
mann hatte das Leichenbegängnis, welches ihm nach seinem Ableben
zu teil wurde, selber in allen Einzelheiten angeordnet. Er wurde
auf einem von zwei Rappen gezogenen Wagen nach Weißenberg
überführt und dort beigesetzt. Es war ein wunderschöner, sonniger
Tag, als sich der Trauerkondukt von Sohland aus in Bewegung
setzte. Um so mehr verwunderten sich alle Augenzeugen, daß über
dem Zuge eine dunkle Aebelwolke hinzog und denselben stetig be-
gleitete. Mag. Neumann hat sich auch nach seinem Tode in
Sohland gezeigt. So erschien er mehrmals, begleitet von einem
großen Hunde, auf dem Friedhofe, wenn der Totengräber ein Grab
bereitete. Sein Nachfolger, Pfarrer Tubesing, stieg eines Sonntags
die Treppe zur Kanzel hinauf; da gewahrte er mit Schrechen, daß
Mag. Neumann schon droben stand, gleichsam als wollte er die
Predigt halten. Der nicht Ruhe findende Schatten des Verstorbenen
wurde endlich auf den Hengstberg (eine Kuppe des Mothsteins) unter
einen Haselstrauch verbannt. Jener Platz wird von den Bewohnern
gemieden, denn man sagt, daß derjenige, welcher denselben betritt,
sich verirre, und sich schwer aus dem Walde herausfinde.