Full text: Sagenbuch des Königreichs Sachsen

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Herr hingebannt sei, und an manchen Wegen zu gewissen Stunden 
die festhalte, welche dorthin gerieten; wer aber einmal da festgehalten 
werde, könne nimmermehr, er möge tun, was er wolle, früher aus 
dem Gebüsche heraus, als bis die Bannstunden vorüber seien. 
Man erzählt sich hierüber folgendes. Es soll einst in der Nähe 
dieses Dorfes ein reicher Edelmann ein Schloß bewohnt haben, 
der durch seine wilde und unleidliche Gemütsart sich in der ganzen 
Umgegend verhaßt gemacht hatte. Derselbe hatte eine Gemahlin, 
die aber ebenso sanft und gut war, als er finster und hart. In— 
des lebten beide anfänglich doch ziemlich gut miteinander, bis die 
Liebe, welche der Ritter zu seiner Gattin trug, sich nach und nach 
in immer größere Abneigung verwandelte, weil dieselbe seinen Wunsch, 
ihm einen Erben seines Aamens und Stammes zu schenken, nicht 
zu erfüllen vermochte. So entfremdete er täglich mehr seinem 
Hause; er trieb sich in der Umgegend herum, und wenn er ja 
einmal zurüchkkehrte, hatte er kein Wort der Liebe für die arme 
Dulderin. So war er auch einst bei einem Freunde gewesen, der 
das Glüch genoß, Vater eines muntern, blühenden Knabens zu 
sein. Aeidisch blichte der Unglüchliche auf seinen Freund, doppelt 
fühlte er sein Unglück und entbrannte vor Wut gegen sein un- 
fruchtbares Weib, der er allein sein trauriges Los beimaß. Voll 
banger Sehnsucht hatte letztere auf seine Bückkehr gelauert, sie 
eilte ihm mit offenen Armen entgegen, er aber stieß sie mit starker 
Hand von sich; sie brach rüchlings zusammen, verwundete tödlich ihr 
Haupt am eisernen Torflügel und nach wenigen Stunden war sie 
nicht mehr. Eine lange Reihe von Jahren schwand dahin, allein 
der Stachel des bösen Gewissens blieb tief in des Mörders Brust; 
weder Seelenmessen, noch Schenkungen an Kirchen und Klöster, 
noch der Bau eines kostbaren Grabmals für die unglückliche Da- 
hingeschiedene waren im stande dem Mörder Ruhe zu verschaffen. 
Endlich vermochte er die Qual nicht mehr zu ertragen; er nahm 
Gift und bald ruhte er an der Seite der unschuldigen Dulderin, 
seine Güter aber fielen an entfernte Seitenverwandte. Allein auch 
jetzt fand er noch keine Ruhe, zur Abendzeit sah man murmelnd 
einen Geist am Schlosse und am Gittertore umherirren, der erst 
um die Mitternachtsstunde unter dumpfen Gewimmer in der Toten- 
gruft verschwand. Einem frommen Priester in der Gegend, der schon 
manchen Zauber gelöst hatte, gelang es, den Unglücklichen in das
	        
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