Full text: Sagenbuch des Königreichs Sachsen

— 217 — 
Vom Mai bis zum September hat man fast alle Morgen an 
den Türen und Wänden, auf den Tischen, Kasten, Dielen Sprüche 
angeschrieben gefunden mit Kreide und Bötel, ja auch mit Feder 
und Tinte hat es dem Herrn Keilpflug viel Papier verdorben. Die 
Schrift ist aber allzeit sehr unrichtig und schlecht geschrieben gewesen. 
Das Gesinde hat trotz des geschehenen Verbotes abergläubische 
Mittel angewendet und zwei Besen kreuzweis vor die Türe ge- 
leget, auf denen es auch einmal stehen geblieben ist und die Schwelle 
nicht überschritten hat. 
Im Miai hat es wieder von dem Kasten mit dem Gelde an- 
gefangen und denselben auch geholt und ihn der Keilpflugin ge- 
zeigt, die hat aber gesagt: Ich begehre nichts Zeitliches, und hat ihn 
nicht genommen, obgleich das Gespenst sie bei ihrer Seelen Selig- 
keit und Gottes Barmherzigkeit angeflehet. Darnach ist es gar 
ungebärdig geworden mit Tumultuieren, Schlagen und Werfen im 
ganzen Hause herum, hat nach der Magd geworfen, und den 
Amanuensis des Herrn Advokaten gezwickt und aus dem Bette ge- 
schmissen, daß er sich geweigert hat, länger im Hause zu bleiben. 
Dadurch ist das ganze Ereignis, das man bis dahin auf Rat 
des Beichtvaters, des Herrn Archidiakonus Muscovius, gegen jeder- 
mann geheim gehalten, endlich ruchbar geworden und dem ge- 
samten geistlichen Ministerium angezeigt worden, worauf denn im 
Hause alle Montage und Donnerstage gewisse Betstunden ein- 
gerichtet worden sind, an denen Hunderte von Personen teilgenommen 
haben; wie denn auch im öffentlichen Kirchengebete des Gespenstes 
gedacht worden ist. Das ANachgraben ist aber verwehret worden, 
da das Gespenst das Jahr der Pest 1631 als sein Todesjahr an- 
gegeben hat und auch früher schon einmal im Keller übelriechende 
Knochen aufgefunden worden waren. So hat man aus Furcht vor 
der Pest und weil ja der angebliche Mlörder ohnedies nicht mehr 
am Leben gewesen, den Keller nicht untersucht. Das hochwürdige 
Ministerium aber hat erklärt, was das Gespenst vorgebe, es könne 
sonst nicht ruhen, sei nichtig Ding, sintemal es gewiß keine Seele, 
sondern der leidige Satan selbst sei. 
Das päpstliche Kapitulum aber hat die geistliche Gerichtsbar- 
keit über das Haus beansprucht und sich erboten, zwei Kapitulares 
hinzuschichen, um diese Seele, die aus dem Fegefeuer wäre und 
nicht ruhen könne, zu beschwören und zu befragen. Aber der Bat
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.