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wieder mit seinem Pfeifchen unter dem Baume und bittet ihn wieder
um den Beutel Tabak, daß es sein Pfeifchen stopfen könne. Und
da stopfte es ihm wieder den ganzen Beutel leer, was ihn noch
mehr ärgerte. „Von dem Kerl“, dachte der Knecht, „läßt du dich
nicht mehr betrügen.“ — Aun geht er zum dritten Male auf diesem
Wege beim Mondenscheine und sieht schon von ferne wieder das
Alännlein unter dem Baume. Und da geht er einen großen Bogen
um ihn herum, daß er nicht zu ihm komme. Als aber das Männ-
lein gewahrte, daß es der Bursche umging, fing es an sehr zu
jammern und zu weinen und ihm zuzurufen: „Wenn du noch dieses
einzige Mlal vorbeigegangen wärest und mir deinen Beutel dar-
gereicht hättest, wäre ich erlöst gewesen und hätte dir ein großes
Vermögen gegeben. Aun aber muß ich noch hundert Jahre warten,
ehe ein solcher Mensch geboren wird, der mich wird erlösen Rkönnen.“
286. Der Eid des alten Schäfers.
Archiv des Vereins für Sächsische Volkskunde, Sammlung Pilk.
Um die Fluren bei der Schafbrücke zwischen Geißlitz und
Lömischau haben eine Herrschaft und Bauern einst einen Grenzstreit
geführt. Der Schäfer, einer der ältesten Männer in der ganzen
Umgegend, sollte beschwören, wie die Grenzen vor alters gegangen
seien. Da hat sich der Schäfer, der im Sinne und zu Gunsten der
Herrschaft aussagen zu müssen glaubte, die Stiefeln voll herrschaft-
licher Erde gestreut und hat dann an Ort und Stelle im Freien
beeidet, daß er auf herrschaftlichem Grund und Boden stehe. An
jener Stelle, wo der Hirte jenen treulosen Eid geleistet, soll noch
jetzt zuweilen vor und nach Sonnenuntergang ein geisterhaftes
Jammergeschrei (des Schäfers) ertönt sein, das denjenigen, der es
unverhofft hört, in Schrechen setzt.
287. Die wiederkehrende Selbstmörderin.
Euzica 1882, S. 77, übersetzt von Dr. Pilk.
In einem alten Häuschen in Holscha wohnten ein alter Mann
und eine alte Frau. Der Mann starb und die Frau nahm sich