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nicht dich, sondern einen anderen.“ In Wittichenau hörte man sie
angeblich vor dem Brande von 1822, und in Bautzen hatte sie
ihren Sitz an dem Orte, wo jetzt das Schauspielhaus steht. Dort
ließ sie sich stets hören, wenn der Stadt ein Unheil drohte, so vor
der Pest von 1519, 1586, 1611, 1612 und 1614, bei dem großen
Brande von 1634 und bei einer Uberschwemmung 1552, jetzt hat
man sie aber längst nicht mehr gehört. Indessen soll dieser Schutz-
geist nicht von jedermann, sondern nur von einigen gehört und
gesehen werden, und der Glaube an denselben geht so weit, daß
viele Wenden bei Abseihung eines kochenden Topfes oder Ausgießung
siedenden Wassers die Vorsicht brauchen und zu sagen pflegen: „Gehe
weg, damit ich dich nicht verbrühe.“ Täten sie dieses nicht, so be-
sorgen sie, sie möchten sich selbst verbrühen, und wenn bei manchen
Hitzblattern auffahren oder sich ein Ausschlag zeigt, so geraten sie
auf den Gedanken, sie wären von diesem Geiste verbrühet worden.
Daher sagen sie: „Die Wehklage hat dich verbrüht.“ Dafür ge-
brauchen sie folgende Kur: Sie schmieren das Ofenloch mit Butter
und sprechen: „Wehklage, ich schmiere dich, heile mich, du hast mich
verbrüht!“ Dann nehmen sie den Brausch (d. h. den Schaum) von
einem hochenden Topfe und schmieren den Schaden, welches gewiß
helfen soll.
294. Auf der Wehlklage.
Luzica, 1887, S. 52; übersetzt von Dr. Pilk.
Vor Zescha liegt das Gut „Auf der Wehklage“. Ein Zuh-
hirt auf der Wehklage hatte Klee gestohlen; der Hausherr haute
ihn dafür durch. Der Kuhhirte wollte sich rächen und erschlug seinen
Herrn. In der Nacht, bevor die Ubeltat geschah, hat Gottes Weh-
klage auf der „Wehklage“ geweint und gejammert. Der Kuhhirte
wurde nach der Sitte jener Zeit verurteilt, daß er, mit dem BRücken
an eine hölzerne Säule gebunden, auf dem Scheiterhaufen ver-
brannt würde. Als man die Säule gesetzt und den Scheiter-
haufen aufgelegt hatte, hat Gottes Wehklage weiter die ganze
Nacht geklagt und noch trauriger geheult.