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schlag eins aber löst sich der Spuk. — Andere sahen eine große
Tonne mit gewaltigem Getöse den Berg herabkollern oder hörten
Tritte eines unsichtbaren Verfolgers hinter sich, der erst beim Hänsch—
Hübel an der Schönbacher Grenze zurückblieb.
329. Der Totengottesdienst in der Taucherkirche zu Bautzen.
Gräße, Rd. II, Ar. 736.
Ein Bautzner Fleischer, der sich auf dem Lande verspätet hatte,
schritt an einem trüben Novemberabende auf der alten Görlitzer
Landstraße munter seiner Vaterstadt zu. Als er bei der, an der
genannten Landstraße unfern des Reichentores stehenden Taucher-
kirche anlangte, gewahrte er Licht in diesem als Begräbniskirche
benutzten Gotteshause. Er meinte aber, man hätte sich mit einem
Begräbnisse verspätet, und trat durch die sich öffnende Türe, um
sich die Predigt anzuhören, in den geheiligten Raum ein. Seinen
Hut vor das Gesicht haltend, betete er ein stilles Vaterunser und
nachdem dies geschehen, trat er näher zu einer unfern der Türe
stehenden alten Frau, um mit in das Gesangbuch derselben zu sehen.
Ein eigentümliches Gesumme ertönte durch das Gotteshaus, und
der ganze weite Raum war seltsam erleuchtet. Sein Blick streifte
über die zahlreiche, seltsam gekleidete Versammlung und er gewahrte
mehrere ihm wohlbekannte Personen, von denen ihm aber doch be-
kannt geworden war, daß sie bereits gestorben seien. Die Frau an
seiner Seite winkte ihm und gab ihm deutlich zu verstehen, er solle
nun das Haus verlassen. Da überkam ihn eine eigentümliche
Angst, er öffnete die Tür und eilte hinaus ins Freie. Doch Rkaum
war er hinausgetreten, so hörte er einen heftigen Knall, das Licht
erlosch und von der Dombirche in der Stadt ertönte der Stunden-
schlag. Unwillkürlich zählte er, dabei rasch dem Stadttore zu-
schreitend, die Glockenschläge und siehe, es war gerade Mitternacht.
In Schweiß gebadet, langte der Fleischer am Gitter des Tores an,
der wachhabende Stadtsoldat öffnete auf sein ungestümes Klopfen
das Pförtchen und vernahm, als sich der höchst aufgeregte und vor
Entsetzen zitternde Fleischer etwas erholt hatte, aus dessen Munde
die seltsame Kunde. (Vergl. Mr. 301, 305.)