Full text: Sagenbuch des Königreichs Sachsen

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für die erteilte Erlaubnis des Zutritts in die Wochenstube, und 
schenkte der Wöchnerin im Namen der ganzen Gesellschaft zum 
Danke dafür drei Geschenke, nämlich einen goldenen Aing, einen 
silbernen Becher und ein Weizenbrötchen. Diese drei Dinge, sagte 
das Männchen, seien von der größten Wichtigkeit, denn solange 
sie alle drei vereint in dem Stamme bleiben würden, werde er 
immer größer, angesehener und reicher werden, und Glüchk und 
Ruhm werde sein Eigentum sein. Sie müßten daher alle drei als 
ein wertes Heiligtum betrachtet und sorgfältig aufbewahrt werden, 
der Ring aber solle allemal in dem Geschlechte des ältesten Sohnes 
verbleiben und von dessen Gemahlin getragen werden. Hierauf 
empfahl sich das Männlein häöflichst wieder und verschwand durch 
die bewußte Offnung und diese mit ihm. Der Wöchnerin war es, 
als ob sie aus einem Traume erwache, und sie würde auch alles 
für einen Traum gehalten haben, wenn nicht die drei Geschenke 
ihr so in die Augen geglänzt hätten. Sie rief nun ihre ganze 
Sippschaft zusammen, und man beratschlagte, wie diese Kostbarkeiten 
am besten zu verwahren seien. Es ward ein fester steinerner Turm 
erbaut, und der silberne Becher und das Weizenbrötchen tief in 
seinem Innersten verwahrt, so daß niemand imstande war, diese 
heilbringenden Gaben dem Stamme zu entwenden, den Ring aber 
trug die, der er geschenkt worden war, unablässig an der Hand. 
Nach ihrem Tode aber erbte er als ein Alterteil der Vorschrift 
gemäß von Glied zu GElied fort, und das Geschlecht war seit dem 
Besitze dieser Zaubergaben immer größer, reicher und angesehener 
geworden, so daß man das Glüchk, welches ihnen von Jahr zu 
Jahr immer schöner erblühte, nur einem höheren Schutze zuschreiben 
konnte. Siehe, da war einst die Besitzerin dieses Ringes so un- 
vorsichtig, ihn zu verlieren, und alles Nachsuchens ungeachtet war er 
schlechterdings nicht wieder aufzufinden. Trostlos brach die Familie 
in Klagen aus und fürchtete den Zorn jener Wesen, deren Hilfe sie sich 
bisher zu erfreuen gehabt hatten. Mit Recht, denn ein Ungewitter 
erhob sich plötzlich über jenem alten Turme, der als Trutz= und Schutz- 
wehr dieser Geschenke galt, spaltete ihn nach einem furchtbaren Blitz 
und Gekrach von oben bis unten, und verschlang in einem Au die ver- 
ehrten Heiligtümer. Von diesem Augenblicke aber ging der Verheißung 
nach der Stern dieses Geschlechtes unter, denn mit dem Besitze dieser 
Geschenke war auch seine Größe und sein Wohlstand für immer dahin.
	        
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