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465. Die böse Frau bei den Wenden.
Gräße, Bd. II, Ar. 805; Gräve S. 175.
Krumm und sehr gebückt schleicht in den Dörfern am hellen
Tageslichte ein kleines, altes, verrunzeltes und verschrumpftes Weib,
mit triefenden Augen, großem Kopfe, warzigem Gesichte und mächtigem
Höcker auf dem Rückhen, an einer Krüche umher, kriecht in Keller
und Scheunen — da wo sie weilt, melken Kühe und Ziegen Blut,
ergibt sich Kkeine Butter, verdirbt der Käse, schlichert die Milch, be-
kommen die Schafe Pochen, Hunde die Bäude, der Wurm kommt
ins Korn, das Gespinste wird von Mäusen zerfressen; Rkurz es
waltet Unfall, wohin ihr Auge blickht und ihr Fuß tritt. Erblickt
sie ein Kind unter einem Jahre, so beschreit sie es und es bekommt
Friesel, Ausschlag, geschwollenen Leib usw. Die Wenden nennen
es das böse Weib (Slaczona). Kräftige und furchtlose Männer
dieser RNation haben schon mehrere Male, wenn sie es gewahrten,
ihre Fäuste gegen selbiges in Bewegung setzen wollen, allein es ist
mit einem schallenden Gelächter vor ihren Augen verschwunden, und
die Frevlerhand erkrankte.
466. Die Mara am Kottmarberge.
Haupt, Bd. I, S. 11; Gräße, Bd. II, Ar. 807.
Während die Wenden um Sorau unter Mkara eine krank-
heitsbringende Frau verstehen, der man aber den Eingang wehren
kann, wenn man die Dorfmark mit drei Pflugfurchen umzieht, er-
scheint sie auf dem Kottmar= oder Hochberge in anderer Weise; dort
soll sie zur Mlittagsstunde herumwandeln und alles fruchtbar und
die Kräuter wachsend machen. Daher pflegten die Wenden ehedem
Wallfahrten dorthin zu unternehmen und sie durch angezündete
Feuer, gekochte Mlilch und Kräuter zu ernähren, damit sie ihr Vieh
beschütze usw.