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653. Dr. Faust reitet auf dem Faßz aus Auerbachs Keller. J.
Nach dem deutschen Volksbuche.
Einst reiste Dr. Johannes Faustus, der weitberühmte Schwarz-
künstler, mit etlichen vornehmen polnischen Herren von Adel, die zu
Wittenberg studierten, nach Leipzig zur Messe. Am Tage nach ihrer
Ankunft besahen sie die Stadt, verwunderten sich über die Kost-
barkheiten der Kaufmannschaft, verrichteten ihre Geschäfte, und als
sie wieder nahe zu ihrem Wirtshause kamen, nahmen sie wahr,
daß gegenüber in einem Weinkeller (in Auerbachs Hofe an der
Grimmaischen Straße) die sogenannten Wein= und Bierschröter allda
ein Faß Wein, sieben oder acht Eimer haltend, aus dem Reller
schroten oder bringen wollten, vermochten aber doch solches nicht,
wie sehr sie sich auch deswegen bemühten, bis etwa ihrer noch mehr
dazukämen. Dr. Faustus und seine Gesellen standen da still und
saheen zu; da sprach Faust (der auch hier seiner Kunst wegen wollte
bekannt werden) fast höhnisch zu den Schrötern: „Wie stellet ihr
euch doch so läppisch dazu, seid euer so viel und könnet ein solches
Faß nicht zwingen; sollt es doch einer wohl allein verrichten können,
wenn er sich recht dazu schicken wollte!“ Die Schröter waren über
solche Rede recht unwillig und warfen, dieweil sie ihn nicht kannten,
mit herben Worten um sich, unter andern: Wenn er denn besser
als sie wüßte, solch Faß zu heben und aus dem Keller zu bringen,
so sollte er's in aller Teufel Namen tun; was er sie viel zu vexieren
hätte? Unter diesem Handel Kkommt der Herr des Weinkellers
herzu, vernimmt die Sache, und sonderlich, daß der eine gesagt, es
könnte das Faß einer wohl allein aus dem Keller bringen; des-
wegen spricht er halb zornig zu ihm: „Wohlan, weil ihr denn so
starte Riesen seid; welcher unter euch das Faß allein wird herauf
und aus dem Keller bringen, dessen soll es sein!" Dr. Faustus
aber war nicht faul, und weil eben etliche Studenten dazugekommen,
ruft er diese an zu Zeugen dessen, das vom Weinherrn versprochen
worden, ging also hinab in den Keller, setzte sich recht breit auf
das Faß, gleich als auf einen Boch, und ritt, so zu reden, das
Faß, nicht ohne jedermanns Verwunderung, herauf; darüber denn
der Weinherr sehr erschrak; und ob er wohl vorwandte, daß dieses
nicht natürlich zuginge, mußte er doch sein Versprechen halten,
wollte er anders nicht den Schimpf zusamt dem Schaden haben.