Full text: Sagenbuch des Königreichs Sachsen

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auf der Freibergerstraße wird noch heute gezeigt. Von wem er die 
schwarze Kunst erlernt hatte, weiß man nicht, aber er übte sie zuweilen 
an seinen Mitbürgern aus. Eines Tages sahen die Mittweidaer 
einen Hahn, der einen schweren Zaunspfahl in seinem Schnabel 
herumschleppte. Da kam aber eine Magd vom Felde herein, die 
hatte einen Futterkorb voll grünen Klee auf dem Rücken. Dar— 
unter war, ohne daß sie es wußte, ein vierblättriges Kleeblatt; 
darum vermochte sie der Zauber nicht zu blenden, und sie sah, daß 
der Hahn keinen Pfahl, sondern nur einen Strohhalm im Schnabel 
trug. Sie klärte das Volk über die Täuschung auf, Schlichtriel 
aber, dem sie einen Spaß verdorben hatte, sann auf Rache. 
Als nun dieselbe Magd einstmals über die Bachbrücke an der 
Freibergerstraße ging, schien es ihr, als ob das Wasser des Baches 
bis zur Brüche steige und diese schon überschwemmt werde. Sie 
raffte schnell ihre Kleider zusammen, damit sie nicht naß werden 
sollten; aber das Wasser stieg immer höher und die Magd mußte 
ihre Röcke immer höher heben. Die Leute am NRande des Baches 
aber sahen etwas anderes als Wasser und lachten die Magd ge- 
hörig aus. So hatte Schlichtriel sich gerächt. — Als der Hexenmeister 
gestorben war und man den Sarg nach dem Kirchhof brachte, da 
bemerkten die Leute plötzlich mit Schrecken, daß Schlichtriel leib- 
haftig aus einer Bodenluke seines Wohnhauses herausguckte und 
mit einem vergnügten Lachen auf dem Gesicht seinem eigenen Leichen- 
begängnis nachsah. (Diese Sage erzählen auch die Mitteilungen 
des Nordböhmischen Exkursionsklubs XVIII. S. 25 vom Krieschekarl 
im Polzenlande. Siehe ferner die Krabatsage S. 549. Zum Schlusse 
vgl. Nr. 194 und 570.) 
661. Narr Hans zu Rochlitz. 
Gräße, Rd. 1, Mr. 380; Heine a. a. O., S. 379—382. 
Im Monat Mai ist ein Landstreicher namens Johannes Bucher 
gen Rochlitz getommen, hat sich für einen erfahrenen Arzt ausgegeben 
und gesagt, daß er aus dem vornehmen Geschlechte der Bucher zu 
Leipzig stamme. Er war eines häßlichen und erschrecklichen Angesichts, 
lispelte und stammelte und hatte kohlschwarz Haar auf dem Haupte, 
welches auf der linken Seite abgeschoren war, auf der rechten aber 
bis auf die Schultern herabhing. Aun wohnte neben einem Fleisch- 
Meiche, Sagenbuch. 33
	        
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