Full text: Sagenbuch des Königreichs Sachsen

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hauer, den er, weil er vom Schlage gelähmt war, behandelte, eine 
ehrsame fromme Witwe, so von schöner Gestalt war. Dieselbe hat 
ihm gar sehr in die Augen gestochen und hat er auf Mittel und 
Wege gesonnen, wie er sich ihrer bemächtigen könne. Er ist also 
einmal zu ihr gegangen, hat sich für einen Wahrsager ausgegeben, 
ihr in die Hände gesehen und ihr traurige, erschreckliche und er— 
bärmliche Zufälle verkündigt. Dadurch ist die einfältige Frau in 
große Furcht und Angst geraten und hat ihn flehentlich gebeten, 
er wolle sie aus dieser Not erretten und ihr wieder zum Glücke 
verhelfen. Dies hat er ihr auch zugesagt, wofern sie ihm in allem 
unweigerlich und gehorsam Folge leisten wolle. Als sie nun solches 
aufs heiligste versprochen, hat der höllische Bube der bezauberten 
und verblendeten Frau befohlen, daß sie an einem heimlichen Orte 
ihre Kleider ablegen und sich von ihm stäupen lasse. Da sie nun 
diesem teufelischen Rate gefolgt, hat er sie recht henkerisch und un- 
barmherzig gegeißelt und ihr nachher noch Unehrbares zugemutet, 
worin das Weib auch eingewilligt. An solcher verübten Bosheit 
hat er sich noch nicht begnügen lassen, sondern sie dahin gezwungen, 
daß sie dem Herrn Christo absagte, also und dergestalt, daß sie hin- 
fort nicht mehr an ihn glauben und ihm vertrauen wolle. Dies 
ist geschehen an eben dem Tage, an welchem das elende Weib sich 
zum heiligen Abendmahl verfüget und nach Christi Einsetzung das- 
selbe genossen hatte. Da hat der greuliche Bösewicht ihr ein Pulver 
oder etwas dergleichen zu trinken gegeben, damit sie die heilsame 
Seelenspeise wieder von sich gebe und erbreche. Von dem Tage 
und der Zeit an aber hat die arme, elende, hochbetrübte Witwe 
greuliche unsägliche Marter und Plage sowohl am Leibe als im 
Herzen und Gemüte gefühlt und schwere Anfechtung und vielfältigen 
Kampf ausgestanden, in welchem sie am dritten Tage mit Tode 
abgegangen und verblichen. Sie hat herzliche Reue und Leid über 
solche begangene Sünde gehabt und ritterlich wider des Satans 
feurige Pfeile und Anfechtungen mit dem lieben inbrünstigen Gebet 
und dem lebendig machenden Trost der Heiligen Schrift gekämpft 
und ist beständig bis ans Ende geblieben. Dieses hat ihr Bruder, 
sobald sie aus diesem Jammertale abgeschieden, dem Rochlitzer 
Superintendenten, ingleichen dem Bate entdeckt und offenbart. Der 
Missetäter ist auf des Richters Befehl gefänglich angenommen, ins 
Richthaus geführt und fleißig besucht worden. Da hat man bei
	        
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