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Es war keine Täuschung: Dort stand die tote Pfarrerin. Als auch
Klunge dieses bemerkte, zog er schnell ein weißes Taschentuch hervor
und winkte damit hinauf, worauf die Gestalt verschwand.
671. Die steinernen Gäste.
Pilk, Neukirch a. H., S. 83; Meiche, Sagenbuch der Sächsischen Schweiz,
Ar. 42.
In der südlichen Vorhalle der Kirche zu ANeukirch befanden
sich ehemals die Grabmalsplatten zweier Ritter angelehnt. Einst
war am Kirmesfeste der Müller aus der Haarthmühle zur Kirche
gegangen. Beim Verlassen des Gotteshauses fielen seine Blicke auf
jene steinernen Bildnisse, und in aufquellender Spottlust lispelte er:
„Ihr kinnt mir zer Kermst Kkommen!“ — Der Tag verstrich unter
froher Geselligkeit, und die Nac t brach herein. Da ertönte ein
Klopfen, und die gebetenen Gäste, die steinernen Mitter, traten festen
Schrittes ins Zimmer des Müllers. Sie setzten sich zur Tafel,
sprachen den aufgetragenen Speisen unmäßig zu und machten keine
Miene, wieder aufzubrechen. In namenloser Angst schickte der
Müller zum Pfarrer Klunge. Dieser erteilte dem Boten den Nat,
man möchte den Rittern je ein Brot vorlegen, auf welchem das
früher mehrfach gebräuchliche Zeichen eines Schlüssels eingebachen
wäre. Zum GElück waren zwei solcher Brote noch vorhanden.
Kaum hatte man dieselben auf den Tisch gebracht, als sich die
Ritter auch schon erhoben und zum Weggehen anschichten. Der
Müller aber mußte die Schatten geleiten bis an die Friedhofsmauer,
über welche sie hinwegsprangen, um darauf zu verschwinden.
672. Die Zauberkünstler in tausend Angsten.
Gräße, Bd. U, Nr. 760; nach mündlichen Uberlieferungen von Eduard
Kauffer; Cl. König im M. L. Mag. 1886, S. 74 ff.
Waren einst in Reukirch einige junge Leute durch Zufall über
eins von jenen anrüchigen Büchern geraten, welche von geheimen
#Diese Sage wird von verschiedenen Schriftstellern der Volksüber--
lieferung zuwider mit der Person des P. Pech (( 1808) verknüpft. Aber
die Unhaltbarkeit dieser Anschauung siehe Meiche, Sagenbuch der Sächsischen
Schweiz 1894, S. 130, Anm. 40.