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Dem Müller gefiel der junge Krabat ausnehmend gut. Er fragte
ihn: „Hättest du wohl Lust, bei mir zu bleiben? Du würdest es
gut haben, und ich könnte dich sehr viel lehren!“ Der Knabe
willigte ein und blieb in der Teufelsmühle. Sein Lehrherr war in
der Tat ein Hexenmeister und Lehrer der schwarzen Kunst. Er hatte
stets zwölf Mühlknappen bei sich, die in Wirklichkeit aber Studie—
rende des bösen Handwerks waren. Es mußten immer zwölf sein,
so hielt es der Müller. Wenn das Lehr- und Prüfungsjahr endete,
dann ging jedesmal einer derselben verloren. Ein großes Rad be-
zeichnete durch Umdrehung den Unglüchlichen, der dem Verderben
geweiht wurde. So waren auch jetzt gerade nur elf Schüler vor-
handen, und Krabat sollte die entstandene Lücke ausfüllen. Der
geistig sehr befähigte Knabe eignete sich rasch das ganze unheim-
liche Wissen seines Meisters an. Er mußte auch damals schon den
üblichen Pakt mit dem Satan schließen. Es war ihm nicht ver-
borgen, in welcher Gefahr er schwebte, allein, einmal in des bösen
Müllers Abhüngigkeit, konnte er sich dessen Macht nicht offen ent-
ziehen. Unter schwerem Bangen — denn das Lehrjahr ging bald
zu Ende — sann er auf eine List zu seiner Befreiung. Er erbat
sich einige Tage Urlaub, um seinen Eltern einen Besuch abzu-
statten. Dies wurde ihm gewährt. Die Freude über das Wieder-
sehen nach langer Trennung wich bald der tiefsten Traurigkeit, als
die AMlutter vernahm, in wessen Händen sich ihr Sohn befinde und
was er erlerne. Der Junge weinte bitterlich, denn er wollte das
Los eines Verlorenen nicht teilen. „Mutter, nur Ihr khönnt mich
retten. Wenn Ihr es wollt, so kommt nach Schwarz-Collm und
verlangt von dem Wüller, daß er mich herausgebe. Er wird dies
nur unter der Bedingung bewilligen, daß Ihr mich herausfindet
unter den elf Gefährten. Ich sag es Euch jetzt, woran Ihr mich
ertennen müßt. Wir werden alle in schwarze Raben verwandelt
in einer Kammer sitzen und uns mit den Schnöbeln scharren und
kratzen nach Vogelart. Alle Kameraden werden den Hals nach der
linken Seite gewendet haben, ich allein werde mich unter dem
rechten Flügel zupfen. Da habt wohl acht, es ist das einzig mög-
liche Erkennungszeichen, das ich Euch zu geben vermag. Sagt
dann fest: „Dieser ist mein Sohn! so muß mich der Müller Euch
überlassen, denn einer Mutter kann in solchem Falle kein Zauberer
widerstehen.“ Welches Mutterherz hätte sich gegenüber so dringen-