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in die Mitte des Flusses, wo aber der Kahn sinken will, und jener
erklärt, ein Sack müsse herausgeworfen werden, denn sonst müßten
sie umkommen und untergehen. Der fremde Mann aber will davon
nichts wissen, sondern sagt, er solle ihm seine Säche liegen lassen
und nur fortfahren, denn es werde keine Aot haben, ob es sich
gleich so anlasse. Mit diesen Worten geht es fort und so Kommen
sie endlich ans entgegengesetzte Ufer. Hier begehrt nun aber der
Sachmann, daß der Fährmann den Kahn immer noch längs dem
Ufer hinschiebe; dies geschieht auch, allein immer ist es ihm noch
nicht genug, bis endlich der Schiffer böse wird und spticht: „Wer
weiß, was Ihr in Euren Sächen habt; ich fahre nicht weiter, ich
habe mein versprochenes Geld einmal zur Genüge verdient, und
hier müßt Ihr ausladen.“ Darauf spricht jener: „Du bist mir auch
trotzig genug gewesen und hast dich mehr als zu viel gegen mich
grob gezeigt, und damit du es weißt, hier hast du dein Fährgeld
und ich meine Säche; in dem einen habe ich das hitzige Fieber, in
dem anderen das kalte, im dritten die Pest, und davon sollst du
deinen Part am ersten bekommen, denn nach Johannis wird eine
solche Hitze werden, daß die Leute auf dem Felde verschmachten und
umfallen werden.“" Damit hat er seine Säcke wieder auf den
Rücken genommen, ist ausgestiegen und fortgewandert und hat
dem Schiffer das Nachsehen überlassen.
715. Die steinerne Jungfrau auf dem Pfaffenstein.
Gräße, Bd. 1, Ar. 188; Melissantes, Curieuse Orographie, Frankfurt
und Leipzig 1715, S. 514; Süsse, Historie des Städtchens Königstein,
Dresden 1755, 4., S. 215; poetisch behandelt bei Segnitz, Bd. II, S. 3 ff.
und Ziehnert, S. 412.
Der Pfaffenstein, sonst auch der Jungfernstein genannt, ist ein
hoher, mit Wald bewachsener Felsen, der sich ungefähr eine halbe
Stunde weit der Festung Königstein gegenüber befindet. Auf der
Südostseite desselben erblicht man die sogenannte steinerne Jung-
frau ((etzt Barbarine genannt), d. h. einen Felsen von Form einer
riesenhohen Jungfrau, ohne Arme und Füße, von dessen Ur-
sprung man sich folgendes erzählt. Es soll einst eine Mutter aus
dem benachbarten Dorfe (Pfaffendorf) ihre Tochter des Sonntags