Full text: Sagenbuch des Königreichs Sachsen

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Hute, still zu bleiben, nicht beachtete, sondern einen lauten Ausruf 
des Erstaunens ausstieß, so schloß sich ebenso geheimnisvoll und 
schnell die Offnung wieder und hat sich bis heute noch nicht 
wieder aufgetan. 
755. Der gute oder St. Annenbrunnen bei Niederzwönitz. 
Gräße, Bd. I, Ar. 570; Ziehnert, S. 469 ff.; novell. beh. b. Dietrich 
a. a. O., Bd. II, S. 236 ff.; vgl. auch Köhler, Sagenbuch, Ar. 370. 
Westlich vom Dorfe Aiederzwönitz, auf einer mit Wald be— 
wachsenen Wiese, quellen mehrere Brunnen, deren einige minera— 
lische Heilkraft besitzen sollen. Der vorzüglichste unter ihnen heißt 
der St. Annenbrunnen. Wie er zu dem letzteren Namen gekommen, 
erzählt folgende Sage. 
Annchen, die dreizehnjährige Tochter des Jägers zu Nieder- 
zwönitz, war seit dem fünften Jahre durch die Blattern erblindet. 
Ihr Vater, der sie als sein einziges Kind über die Maßen zärtlich 
liebte, fragte allenthalben um Rat und scheute keine Kosten, um 
seinem Kinde von dem großen Abel zu helfen; aber umsonst, niemand 
konnte ihr das Augenlicht wiedergeben. Dennoch haderte das 
fromme Mägdlein nicht mit Gott, sondern betete alltäglich zu ihm 
und der heiligen Anna mit freudiger Zuversicht, daß ihrem Unglüch 
ein Ende kommen werde. Da in der Nacht des St. Annentages 
(26. Juli) erschien ihr im Traume die heilige Anna in himmlischer 
Herrlichkeit, ergriff sie bei der Hand und führte sie hinaus in den 
Streitwald, wo auf moorigem Wies2engrund ein Brünnlein guoll, 
deutete auf das Wasser und auf Annchens Augen, segnete sie und 
verschwand. 
Als am Morgen das blinde Müägdlein ihrem Vater erzählte, 
was ihr geträumt hatte, da ward derselbe voller Freuden, denn er 
erkannte in dem Traume die Verheißung naher Hilfe. Sonder 
Säumen führte er sie hinaus in den Streitwald zu dem Brunnen 
auf der moorigen Wiese, den er gar wohl kannte, in dem er aber nie 
solche Heilkraft geahnt hatte. Annchen wusch sich die Augen mit dem 
Wasser des Quelles und ward wieder sehend. Ihr Vater dankte 
Gott auf den Knien und gelobte, an jenem Brunnen der hbeiligen 
Anna eine Kapelle zu bauen. Moch in demselben Jahre erfüllte
	        
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