Full text: Sagenbuch des Königreichs Sachsen

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sie ausreißen und umgekehrt mit den Asten in die Erde setzen 
wollte, ausschlagen würde, so wenig würden diejenigen, welche ein- 
mal tot wären, wiederum lebendig werden und auferstehn. Hierauf 
habe der Priester, in göttlichem Eifer entbrannt, geantwortet, er 
wüßte gewiß, Gott würde so gnädig sein, und um solche Ruchlosig- 
keit zu strafen, ein Zeichen seiner Allmacht sehen lassen; er wolle 
diese Linde umgekehrt lassen in die Erde setzen, und würde sie aus- 
schlagen, so sollte er hiervon seinen bösen Unglauben kennen lernen, 
welches auch hernach also geschehen. 
Aach einer anderen Uberlieferung (bei Gräße, Bd. I, Ar. 505) 
ist der Zweifler jedoch der berühmte Rechenmeister Adam Ries ge- 
wesen, der zu Anfang des 16. Jahrhunderts auf seiner Besitzung 
in der Bähe der Stadt Annaberg lebte. 
Er brachte alle seine freie Zeit mit Naccdenken über religiöse 
Gegenstände zu, und besonders machte ihm die Lehre von der Auf- 
erstehung viele Skrupel. Er liebte es daher, auf den Gottesacker 
zu gehen und hier über diesen Gegenstand weiter zu meditieren. 
Dies tat er auch am 16. Oktober 1519, und zwar in Gesellschaft 
seines Beichtvaters. Derselbe bemühte sich, ihm aus der Heiligen 
Schrift die Wahrheit dieses Dogmas zu erweisen, allein vergebens; 
endlich zog derselbe ein in der Aähe stehendes junges Linden- 
bäumchen aus der Erde und stechte es mit den Worten: „So wahr 
es ist, lieber Ries, daß ich dieses junge Bäumchen verkehrt in die 
Erde steche und es zu einem großen Baume heranwachsen wird, 
ebenso gewiß gibt es einst eine Auferstehung!“ Zwar machten diese 
Worte auf den Ungläubigen Reinen Eindruckh; als er aber Rurze 
Zeit nachher wieder auf den Kirchhof Kam, sah er, daß das Bäumchen 
vollständig in die Erde eingewachsen war. Seit dieser Zeit ward 
er aber gläubig und blieb es bis an seinen Tod, der im Jahre 
1559 erfolgte. 
762. Der Fallsüchtige in der Kirche zu Annaberg. 
Gräße, Bd. I, Nr. 511; poetisch beh. b. Ziehnert, S. 421 ff.; 
s. a. Textor, histor. Bildersaal, Bd. IV, S. 141 ff. 
Am 26. Juli des Jahres 1519 ward die St. Annenkirche in 
der Stadt Annaberg durch den Bischof von Meißen, Johann VI., 
geweiht, und bei dieser Gelegenheit ereignete sich folgende wunder-
	        
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