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790. Der Hahn in der Jakobskapelle zu Großenhain.
Gräße, Bd. I, Nr. 82; Chladenius, Bd. 1I, S. 2; poetisch behandelt von
Ziehnert, S. 98ff.
Vor dem Wildenhainer Tore an dem großen sogenannten
Spittelteiche liegt die St. Jakobskapelle, zu dem gleichnamigen
Jakobshospitale gehörig, in welcher auf einem Altargemälde ein
großer Hahn abgebildet ist, der zugleich als Wahrzeichen von
Großenhain, welches allerdings bereits in einer Urkunde von 1312
(bei Gerchen, Diplom. Vet. March. Brandenb. Bd. III. S. 577) aus-
drüchlich „Stadt Hahn“" genannt wird, dienen soll. Die Sage be-
richtet hierüber, es sei ein junger Bauer wegen eines ihm schuld-
gegebenen in einem Wirtshause der Stadt begangenen Diebstahls
an den Galgen gehängt worden: seine Mutter, welche über sein
Außenbleiben unruhig geworden, habe ihn in der Stadt aufsuchen
wollen und sei bei dem Galgen vorbeigegangen, wo sie ihn noch
lebendig angetroffen und von ihm selbst sein Schichsal erfahren habe.
Darauf ist sie geschwind in die Stadt zum Bürgermeister geeilt,
welcher eben mit einem Kollegen einen gebratenen Hahn verzehren
wollte, und hat ihm die wunderbare Begebenheit erzählt. Der hat
sich schwer darüber entsetzt und ausgerufen: „So wahr wie dieser ge-
bratene Hahn nicht wieder lebendig werden und Federn bekommen
kann, ebensowenig Rkann euer vor drei Tagen gehenkter Sohn noch
leben.“" Da, o Munder! soll der Hahn Federn bekommen, gekräht
haben und in der Stube herumgeflattert sein, sich aber auch wieder
entfedert und gebraten selbst in die Schüssel gelegt haben. Alles ist
von Schrechen ergriffen hinaus zum Hochgericht geströmt, um sich
von der Wahrheit der Sache zu überzeugen; man hat den Ge-
henkten, dessen Unschuld Gott so wunderbar an den Tag gebracht,
vom Galgen herabgenommen und, weil dieser auf Befragen gesagt,
daß ihm der heilige Jakob erschienen sei und ihn am Leben er-
halten habe, ist demselben zu Ehren diese Kapelle erbaut und die
Stadt Großenhahn genannt worden.