ls der Verein für Sächsische Volkskunde seinen Arbeits-
plan entwarf, waren wir uns wohl der Schwierigkeiten
bewußt, die sich der Ausführung desselben entgegenstellen
mußten. Wir beabsichtigten ein groß angelegtes Werk heraus-
zugeben, das alle Lebensäußerungen des sächsischen Volkes in
möglichst erschöpfender Weise historisch darstellen sollte. Hielt es
nun schon schwer, für die einzelnen Teile des Wertkes ge-
eignete Bearbeiter zu finden, so mußten wir uns auch bald über-
zeugen, daß lückenlose oder auch nur möglichst lückenlose Arbeiten
auf den meisten Gebieten zur Zeit unmöglich seien. Durch eine
solche Uberzeugung schwand aber zugleich auch die Aussicht, allen
unseren Alitarbeitern einen festen Termin zur Einlieferung ihrer
Arbeiten setzen zu können. Diese Erwägungen zwangen uns,
den eingeschlagenen Weg zu verlassen und den zu wählen, welchen
andere Vereine für Volkskunde (der schlesische, bayrische, schweize-
rische u. dergl.) gegangen sind: im Rahmen unseres Arbeits-
planes soll eine Reihe Veröffentlichungen erscheinen, die einzelne
Gebiete des sächsischen Volkslebens, mögen diese inhaltlich oder
örtlich begrenzt sein, in zuverlässiger und wissenschaftlicher Weise
behandeln. Den Anfang dieser Publikationen machen mit dem vor-
liegenden Werke Sachsens Volkssagen. Gräßes „Sagenschatz
des Königreichs Sachsen“ war schon länger vergriffen, und der
Verleger plante daher eine neue Ausgabe. In der alten Form
konnte Gräßes Werk nicht herausgegeben werden. War dies
doch in einer Zeit entstanden, die man als Periode gelehrter
Sagenfälschung bezeichnen kann. So fand sich auch unter Gräßes
Sammlung manches Unechte, das nie in das Volk gedrungen,