— 640 —
791. Der Vogelberg bei Gräfenhain.
Gräße, Bd. II, S. 278; Haupt, Bd. J, S. 259, Bd. II, S. 111.
Früher stand das bei Königsbrück in der Lausitz gelegene
Dorf Gräfenhain auf dem nahen Vogelberge. Daselbst waren auch
zwei Klöster, eines am westlichen, das andere am südlichen Abhange
des Berges, welche beide durch einen unterirdischen Gang, der
mitten durch den kleinen Keulenberg hindurchführte, miteinander
in Verbindung standen. Auf dem großen Keulenberg, der jetzt
Augustusberg heißt, war früher eine Opferstätte des Radegast, wo—
von (nach volksetymologischer Deutung) noch die Namen der Städte
Radeburg und Radeberg herrühren. Als nun im 18. Jahrhundert
einmal Gräfenhainer Bauern in der Heuernte beschäftigt waren,
kam plötzlich eine finstere Wolke dahergebraust; aus ihr regnete
es Steine so groß wie eine Mannesfaust, an den benachbarten
Bergen aber leuchtete es wie blaue Flammen und dröhnte es wie
ferner Donner. Der Sturm schnitt das Gras von der Erde weg,
als hätte es ein Schermesser abgeschoren, die Heuschober wurden
aufgehoben und verschwanden in der Luft. Da sagte eine Tage-
löhnerin zu ihrem Manne: „Komm, wir wollen nach Hause gehnl!
hole das Zeug, der jüngste Tag Kommt!“ Unerschrocken antwortete
ihr dieser: „Du Aärrin, wenn der jüngste Tag kommt, brauchen
wir das Zeug nicht!“
792. Ein hölzernes Bild des Erzengels Miichael singt.
Gräße, Bd. 1, S. 36; (L. Faust,) Geschichte und Zeitbüchlein der Stadt
Meißen. Dresden 1588, S. 63.
Im Jahre 1485 hat zu Meißen ein großes Sterben gewütet
und sind allein im Kloster Mülberg daselbst 27 NAonnen gestorben.
Da nun der Chornonnen zu wenig und ihr Gesang zu schwach war,
hat das große hölzerne Bild des Erzengels an der Wand ihnen
mehrmals mit heller Stimme singen helfen.