Full text: Sagenbuch des Königreichs Sachsen

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Seitdem ist das grüne Kreuz alljährlich in der Todesnacht 
des Jünglings dort im Weiher aufgetaucht und am Abend des 
Beisetzungstages wieder verschwunden. 
818. Der Hungerbrunnen bei Oybin. 
Aach Luthers Tischreden, Abteilung „Vom Gesetz und Evangelio“, von 
Moschkau in „Aus der Heimat, Lausitzer Geschichts- und Unterhaltungs— 
blätter“, 1899, Ar. 49. 
Am 13. des Brachmonden Anno (15)39 ward D. Martino an- 
gezeigt, was sich nicht weit von der Sitte (Zittau) in Teuerungszeiten 
hätte zugetragen. Dämlich wie eine fromme gottesfürchtige Matrone 
mit zweien Kindern große MNot gelitten. Da sie nun nicht mehr 
hatte, wovon sie konnten leben, schmüchte sie sich mit ihren Kinder- 
lein und wollte zu einem Brunnen gehen und beten, Gott wollte 
sie in solcher teuren Zeit erhalten und erquicken. Auf dem Wege 
begegnete ihr ein Mann, fragt sie und disputiert mit ihr: „Ob sie 
vom Wasser des Borns auch essen wollte?“ Sie aber sprach: „Ja, 
warum nicht? Denn Gott ist alles möglich und leicht zu tun; der 
das große Volk Jsrael vierzig Jahre in der Wüste mit Manna 
gespeiset hat, der Kann mich auch mit Wassertrinken erhalten.“ Und 
da sie es so beständig bejahte, fest darauf verharrte und blieb, sprach 
der Mann (vielleicht ein Engel): „Siehe, weil du so beständig glaubest, 
so gehe heim, da wirst du drei Scheffel Mehls finden, damit 
du und deine kleinen Kinder in der Teuerungszeit sollen ver- 
sorget werden.“ Und sie soll's also nach seinen Worten gefunden 
haben.* 
Oberhalb des dicht an der alten Leipaer Straße liegenden 
Brunnens steht ein kleines Denkmal; daran sieht man ausgehauen 
das von einem Rosen- und Blätterkranze umrahmte Brot und 
darunter in einem Oval die Umrisse eines betenden Kindes. Leider 
  
* Haupt, Sagenbuch der Lausitz, macht aus dem Vorgang zwei 
Sagen (Bd. 1, Ar. 313 u. 314) und verlegt den Luther bekannten Fall nach 
Oderwitz an den Engelsbrunnen und ein Jahr früher. Jedenfalls sind 
aber beide Sagen identisch.
	        
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