Full text: Sagenbuch des Königreichs Sachsen

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828. Blutende Leiche verrät einen Mörder. 
Gräße, Bd. II, Nr. 744; Annalen der Stadt Budissin von 958—1664. 
Hdschr. a. d. Königl. Bibl. zu Dresden. 
Im Jahre 1500 hat sich in der Stadt Bautzen eine greuliche 
Alordtat begeben. Es ist daselbst damals an der Schule ein 
Kantor namens Jakob Tham gewesen, der hat auf der Reichen= 
gasse von der Ecke des Marktes herein gelebt. Bei dem hat seine 
Schwiegermutter, die sogenannte alte Krohin gewohnt, ein böses 
Weib, die fast täglich mit ihm gezankt und verlangt hat, er solle 
ihr das Haus, wo er wohnte und was ihr gehörte, bezahlen. Da 
hat ihn einmal der böse Feind verführt. Er hat am Tage visitationis 
Mariae eine Axt genommen und ihr das Genick eingeschlagen, dann 
aber hat er sie in den Würztrog geworfen, als wenn sie sich selbst 
ersäuft, und ist in die Schule gegangen. Hierhin ist denn sehr bald 
seine Frau gekommen und hat ihm gesagt: „Lieber Mann, wie geht 
das zu, meine Mrutter hat sich im Würztroge ersäuft, komme doch 
schnell nach Hause!“ Hierauf Kkommen die Nachbarn und die Ge- 
richte, um die Tote zu besichtigen; da es aber schon gegen Abend 
war, so grauete es jedermann und man hat sie nicht genau ange- 
schaut, sondern dem Nachrichter befohlen, sie als eine Selbstmörderin 
des morgenden Tages, an einem Sonntag, auf den Schindanger 
zu fahren und nach gerichtlicher Anordnung zu begraben. Wie nun 
der Scharfrichter den Körper angreift, hebt die Leiche an heftig zu 
bluten, darüber der Scharfrichter sagt: „Das geht nicht mit rechten 
Dingen zu; wer sich schuldig an diesem Blute weiß, der hat Zeit 
sich davonzumachen.“ Darauf haben viele Leute dem Kantor ge- 
raten, zu flüchten oder sich in ein Kloster zu verbergen, allein er hat 
nicht gewollt. Endlich hat man ihn eingezogen und mit der scharfen 
Frage belegt, doch hat er nichts gestanden; am folgenden Tage 
aber hat er den Batsherrn Hieronymus Ruprecht zu sich Kommen 
lassen, und ihm alles bekannt, wie es zugegangen. Darauf ist er 
schon nächsten Alittwoch hinausgeschleift und aufs Rad gelegt 
worden. Ob nun wohl dieses Mörders Eheweib in solche Tat ge- 
willigt, auch zu ihrer leiblichen Mutter Ermordung Rat und Tat 
gegeben, hat man sie doch damals verschont und nicht angreifen
	        
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