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Einer davon fällt besonders steil in das dahinter liegende grüne
Tal ab; ein herrlicher Ausguck von dem kleinen Felsen: es ist der
Hohe Stein.
Wie oft haben wir uns als Kinder hier umhergetollt und in
den schwanken Asten riesiger Buchen geschaukelt. — Doch sobald
die Nacht ihre ersten Schatten warf, war alles vorbei, denn „hier
ist's nicht richtig“. Graue Männchen und der grüne Jäger sollten
hier hausen
Ungefähr hundert Jahre ist es nun her. In einer Höhlung
des Hohen Steins sollte ein Schatz verborgen liegen, ein großer,
großer Schatz, noch von der Schwedenzeit. Gar mancher hätte ihn
gern gehoben, aber wie anfangen? Dreie wußten es. Woher sie's
wußten, vermag niemand zu sagen. Ein alter Mann, an dessen
Krankenbett ich oft gesessen und der mir neugierigem Buben gar
manchen Nlärchentraum lebendig werden ließ, der wußte es von
seinem Vater her. Die Schatzgräber hatten ihr Mittel vom Gott-
seibeiuns! Der biedere Alte Rannte die drei sogar mit Namen.
Es war in einer -Reumondnacht. Da huschten durch die
engen, schläfrigen Gassen des alten Schönech drei vermummte Ge-
stalten — an der Pfarre vorbei — risch rasch über die kleine
Mauer des Gottesachers hinweg, von Grab zu Grab. Und ein
aufmerksamer Lauscher hätte etwas hören Können wie von Schaufeln
und von Spaten, und er wäre wohl geflohen vor Grauen und
Ekel. —
Eine Stunde mochte wohl vergangen sein, da khamen die
drei wieder denselben Weg zurück, über die Kirchhofsmauer, der
Pfarre zu. Jeder etwas unterm Arm: der erste eine große blecherne
Pfanne, der zweite eine mächtige, unangezündete Fackel, der dritte
etwas, das man nicht sehen konnte, denn sorgfältig verbarg er es
unter seinem Mantel. Doch wie er jetzt an der Pfarre vorbeikam,
fielen drei große Bluttropfen auf die steinerne Platte vor der Pfarr-
treppe — sie waren nie ganz wegzuwaschen. Aber am Sonntag
darauf wußte es jeder im Orte: der Pfarrer hatte nach der Predigt
einen Fluch getan, einen heiligen Fluch über die Grabschänder, die
seinem totgeborenen, ungetauften Töchterlein nicht einmal die Ruhe
im Grabe gönnten. „Kennen wir auch jetzt die Sünder nicht,“
sprach er, „aber der Herr wird sie stempeln, und bei dem heiligen,
gerechten Gott, dem ich diene, sie werden alle, damit ihre Schande