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lag die Zukunft rosig vor ihren Augen. Mit einem Schlage schien
sich jetzt ihre bisherige Armut in Reichtum verwandeln zu wollen.
Zitternd vor Freude trat sie ein, setzte ihr Knäblein auf den Boden
der Grotte nieder und raffte hastig so viel der blanken Goldstücke
zusammen, als ihre Schürze nur zu fassen vermochte. Dann eilte
sie hinaus und schüttete das Gold vor dem Fels aus. ANoch zwei
andere Male betrat sie die Höhle, jedesmal eine gleiche kostbare
Last hervorschleppend. Als sie aber zum dritten Male die Grotte
verließ, hörte sie hinter sich einen Donnerschlag. Sich umblickend
gewahrte sie, daß sich der Fels geschlossen hatte. Vergebens suchte
sie nach rechts und links, bergauf- und bergabwärts nach einem
Zugange. „Mein Kind, mein Kind will ich nur noch holen,“
jammerte die Mutter, „o öffne dich nur noch ein einziges Mal,
starrer Felsen, und gib mir meinen Liebling heraus! RKein Stück
von deinem Golde will ich dann mit mir hinwegnehmen!“ Doch
ihr antwortete nur Rkaltes Schweigen. Drüben von Steinigtwolms-
dorf her erklangen leise die neun Schläge der Betglocke. Schmerz-
bewegt sank die Frau in die Knie. Da erinnerte sie sich, daß
Großmütterlein bei der Erzählung von der Goldgrotte des Valten-
berges stets auch gesagt hatte:
„Bist du nicht reinen Herzens,
So bringt es dich in Not;
Wohl Schätze wirst du finden,
Doch aber auch den Tod!“
So war die Strafe für ihre Habsucht nun hereingebrochen.
Der Müutter war das Söhnlein, ihr bestes Kleinod auf dieser Welt,
entrissen. Wehklagend dachte die Armste endlich an den Heimweg.
In ihrer Schürze nahm sie einen Teil des Goldes mit, das übrige
verbarg sie unter Waldstreu, Geäst und Steinen. Erst gegen Abend
erreichte sie ihre Wohnung. Unter lautem Schluchzen berichtete sie
ihrem Manne, was sie verloren und was sie gefunden habe. Der
Gatte war geblendet von dem Glanze des nie besessenen Goldes.
Der Gedanke an das sorgenlose, prächtige Leben, das ihm nun
bevorstand, machte ihn den Verlust des Kindes vergessen. Anders
die Mutter. Von ihren Augen wich der Schlaf. Frühzeitig wechte
sie am andern Tage den Mann. Nachdem der mitgebrachte Schatz
sorgfältig im Keller verstecht worden war, brach man auf, um auch
das andere Gold einzuheimsen. Es lag noch am nämlichen Orte.