Full text: Sagenbuch des Königreichs Sachsen

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der alten Raubburg Kirschau. Am meisten tritt von den noch vor— 
handenen Mauerüberresten das Haupttor nach der Burg hervor, 
dessen Höhe jetzt freilich Kaum noch vier Ellen beträgt, da die 
Schwelle wohl ebenso tief mit Schutt bedeckt ist. In diesen Ruinen 
ist es zu Anfange des Frühjahres und Herbstes angeblich nicht ganz 
geheuer, denn man will zu dieser Zeit dumpfes Gewimmer, starkes 
Waffengeklirr, heftiges Kettengerassel, aber auch gellendes Gelächter, 
wilden Sang und lauten Becherklang hier gehört haben. Seltener 
ist aber etwas zu sehen gewesen, doch haben sich auch furchtbare 
vermummte Gestalten erblicken lassen, welche im Schlosse die Runde 
machten und dann plötzlich wieder verschwanden. Mehr als dies 
alles hat schon seit Jahrhunderten die Aufmerksamkeit manches 
Bewohners der Umgegend ein eiserner Kessel auf sich gezogen, welcher 
tief unter den Trümmern des alten Raudbschlosses ruht und einen 
unermeßlichen Reichtum an Gold und Edelsteinen birgt. Obgleich 
gedachter Schatzkessel von mächtigen Geistern bewacht wird, näm- 
lich von einem schwarzen furchtbaren Ritter mit einem blutroten 
Helmbusche auf dem Haupte und einem mächtigen, von Menschen- 
blut rotgefärbten Schwerte in der Hand, und von einem nimmer- 
schlummernden Falken mit eisernem Schnabel und panzerfestem Ge- 
fieder angetan, so ist es doch nicht im Bereiche der Unmöglichbeit, 
ihn zu heben und dann zu seinem A#utzen anzuwenden. Derzjenige, 
welcher den Schatz heben will, muß in der Nacht vom 22. zum 
23. Februar — Petri Stuhlfeier — geboren sein, am Tage Petri 
Kettenfeier oder den 1. August in drei aufeinanderfolgenden Jahren 
das heilige Abendmahl genossen haben, und sich genau die Zauber- 
formel merken, welche ihm in der heiligen Christnacht träumen 
wird. Dies ist aber noch nicht alles. Der vom Schicksal zur Er- 
hebung des Schatzes Bestimmte hat nun in der Nacht von Petri 
Kettenfeier sich auf die oben angegebene Landstraße von Budissin 
hinter dem Dorfe Postwitz zu begeben, einen schwarzen Kater, eine 
schwarze Schlange und einen schwarzen Hahn allda zu schlachten, 
das Blut mit Bilsenkrautasche zu vermischen, sich damit Gesicht und 
Hände zu waschen und dann dreimal die Zauberformel nach der 
Burgruine zu auszusprechen. Hierauf wird ein Wunder geschehen, 
und alles, was ihm befohlen wird, muß er verrichten, wenn er nicht 
den Schatz wieder verschwinden oder gar sich gemißhandelt oder 
verstümmelt sehen will.
	        
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