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Federn verziert und stark vergoldetem Visier. Vor ihm aber stand
plötzlich eine schöne Jungfrau mit glühenden Wangen und purpurnen
Lippen. Ihr wallendes Haar von blonder Farbe zierte ein mit
Edelsteinen reich ausgeschmücktes Diadem, um ihren zarten schnee-
weißen Hals perlte eine goldene Kette, und den schlanken Körper
verhüllte ein langes weißseidenes Gewand. Schweigend trat sie
zum Tische, nahm den Helm, überreichte ihn dem Jünglinge, und
als er ihn aufs Haupt gesetzt, reichte sie ihm auch das blanke
Schwert und rief ihm freundlich zu: „Folge mir nach.“
Dieselbe schritt nun durch einen sehr langen Gang, der end-
lich in einen von hohen Mauern umgebenen Schloßhof führte. Hier
stand gegen das Schloß zu eine sehr lange steinerne Spitzsäule. „Rette
mich,“ rief bittend die Jungfrau, „schlage dreimal mit dem Schwerte
an diese Säule, bekämpfe den darunter verbannten MRitter, und gib
dem auf dem eisernen Goldkessel sitzenden Falken das Blut der
Person zu trinken, auf deren Arm er sich setzen wird.“ Ohne zu
zögern schlug Karl dreimal an die steinerne Spitzsäule, daß laut
das Schwert erklang und helle Funken sprühten. Die Säule stürzte
in Stücke zusammen, ein großer eiserner Kessel mit eitel Gold und
Edelsteinen gefüllt ward sichtbar, vor ihm aber stand mit gezücktem
Schwerte ein schwarzer furchtbarer Ritter, einen blutroten Helm mit
fliegenden Federn auf dem Haupte, um seine Schulter hing eine
goldene Ritterkette, und auf dem strahlenden Schilde, der auf dem
Kessel lag, saß der Falke und wetzte seinen eisernen Schnabel an
dem ehernen Gefieder. Karl schaute nach der Jungfrau, und indem
er sein Schwert gegen den Ritter schwang, wähnte er seinen Gegner
mit einem Schlage niederzustrecken, allein dieser ließ ebenfalls sein
Schwert durch die Lüfte streichen, der Falke schoß pfeilschnell nach
der Jungfrau hin und setzte sich auf ihren Arm. Als dies Karl
sah, entfloh seinem Munde ein Angstschrei, das Schwert entsank
seiner Hand, und ein zweiter Schwertstreich des schwarzen Ritters
lähmte seinen Arm. Besinnungslos stürzte er nieder, als er aber
wieder zum Bewußtsein kam, hörte er noch aus der Ferne den
klagenden Gesang der Jungfrau, deren Blut er nicht hatte ver-
gießen wollen; von dem Ritter, dem Schatze und dem Falken war
jedoch keine Spur zu entdecken. Als aber die ersten Strahlen der
Sonne die Gipfel der Berge erleuchteten, da verstummten auch die
letzten Töne des Gesanges, er selbst aber ward nur durch seinen